Die Sprache.
289
von einer Art habituell gewordenen, meist unsagbaren Ver¬
schiebung der Elemente jener Sprachorganverkettung bedingt
ist, bei welcher Abstammung, Boden, Klima, Gewohnheit,
Lebensweise und Nahrungsbeschaffenheit als formbestimmend
für Zähne, Zunge und Mundhöhle mit in Betracht kommen.
Das Selbstbewusstsein würde sich nicht entwickeln
können, wofern nicht Hand und Kopf unablässig einander
entgegenkämen, d. h. wenn nicht die Technik dem Sprach-
bedürfniss Anregung und Stoff lieferte und die Sprache
dem Gestaltungsbedürf'niss das Bewusstsein über seine
Leistungen und deren Vervollkommnung vermittelte.
Unsere bisherige Untersuchung, dem Zug der Cultur-
geschichte im grossen folgend, lief auf die Beweisführung
hinaus, dass die Organprojection, die in Form einer vom
Menschen selbst geschaffenen Aussenwelt vor sich geht,
die Entfaltung des Selbstbewusstseins bedingt.
Wenn nun derselbe Gang in der Entwickelung der
Sprache sich kundgiebt, so unterscheidet sich diese von
allen anderen Gestaltungen der Organprojection doch
wesentlich dadurch, dass sie frei von den Hemmungen ist,
welche der Widerstand des festen Materials dem Gestal¬
tung sbedürfniss verursacht. In dem gefügigsten und einem
gewissermaassen geisthaften Elemente sich bewegend, lässt
sie das Werkzeug und die es formende organische Thätig-
keit in einheitlichem Verband erscheinen. Hiervon kann
man, ohne gerade paradox zu sein, sagen, das Denken sei
eben so wohl Werkzeug der Sprache, wie diese das Werk¬
zeug des Denkens.
Wollen wir demgemäss das Verhältniss der Sprache zu
dem ganzen übrigen Culturinhalt bestimmen, so dürfen
wir in Anlehnung an das Wort von W. Wundt, „dass die
Seele das innere Sein der nämlichen Einheit ist, die wir
KAPP, Phil. d. Technik. 19
/