Der anthropologische Maassstab.
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Kirche und Staat und ist, zwiespältig und beideinig zumal,
auch der Spender von Versöhnung, Fortschritt und Ge¬
nuss. Wie der Mensch, Zweifüssler der er ist, nur im
Wechselschritt von Rechts und Links vom Fleck kommt,
so ist überhaupt aller Fortschritt nur möglich im dua¬
listischen Wechsel. Und zwar vermeint immer jede Seite
des Gegensatzes sich allein im Rechte. Wahr ist, dass
jede im Rechte ist, falsch, dass jede es allein ist. Doch
je hartnäckiger ihr Anspruch auf alleinige Berechtigung,
desto vollständiger das Hervortreten ihres Inhaltes und
der Wahrheit, in der sie vor dem jeweiligen Zeitbewusst¬
sein Eins sind.
Centripetale und centrifugale Spannung und was das¬
selbe ist, Deduction und Induction, Idealismus und Rea¬
lismus, Spiritualismus und Materialismus durchwirken dua¬
listisch die ganze Stufenleiter der weltgeschichtlichen Con-
flicte.
Der Glanzperiode der deutschen Philosophie folgten
schliesslich die neuesten Triumphe der Naturwissenschaft.
Nachdem die Geringschätzung seitens jener von dieser in
erbitterter Feindschaft, als gälte es „die Erdrosselung der
Philosophie“, erwiedert war, erleben wir es heute, dass
beide, Naturwissenschaft und Philosophie, sich einmal wie¬
der die Hand reichen, um geeint zu neuer Wandlung, im
fortgesetzten Kampf gegen den alten syllabistischen Wider¬
part des Wissens, die Grundlagen zu befestigen, auf denen
sich der Bau einer neuen höheren Weltordnung ankündigt.
Ohne Dualismus kommt eine wissenschaftliche Erörte¬
rung nicht zu Ende, wenn überhaupt zum Anfang, also
auch gar nicht zu Stande. Dem Menschen ist nun ein¬
mal mit Einem Anlauf nicht beizukommen. Er muss dis-
cursiv, in successiver Darstellung, bald von der einen, bald