§• 31.
LAGE DER CORRESPONDIRENDEN PUNKTE.
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Objects abbilden werden, dessen Einheit übrigens durch den Tastsinn, so oft
als nöthig, zu constatiren ist, und dass ihre Empfindungen daher in räumlicher
Beziehung immer als gleichgeltend kennen gelernt werden. Wir sehen also
einfach mit beiden Blickpunkten, weil beim natürlichen normalen Gebrauche der
Augen auf beiden Netzhautgruben immer dasselbe Object abgebildet ist, von
dessen nur einmaligem Vorhandensein wir durch den Tastsinn unterrichtet sind
oder uns unterrichten können.
Die entgegengesetzte Ansicht dagegen, wonach gewisse Empfindungen
unseres Körpers schon vor aller Erfahrung gewisse Raumvorstellungen hervor¬
zurufen imstande sind, muss annehmen, dass die beiden Netzhautcentra ebenso,
wie jedes andere Paar zusammengehöriger Deckstellen beider Netzhäute, durch
einen angeborenen Mechanismus identische Raumanschauungen geben. Dies war
auch der Grund, aus welchem die Deckstellen der Netzhäute zuerst als iden¬
tische Stellen bezeichnet wurden, Eine kritische Vergleichung beider Ansichten
lässt sich erst am Schlüsse des folgenden Paragraphen geben.
Bei vielen Fällen sogenannten concomitirend en Schielens finden sich
Ausnahmen von dem Gesetze, dass die Netzhautgruben Deckstellen sind, nament¬
lich bei solchen Individuen, deren beide Augen annähernd gleich gut brauchbar
zum Sehen sind. Bei der genannten Art des Schielens können beide Augen
nicht parallel gerichtet werden, sondern stehen entweder convergent oder diver¬
gent, und zwar so, dass bei allen Richtungen der Gesichtslinien der Winkel
der Convergenz oder Divergenz naheliin die gleiche Grösse behält. Hat ein
Auge eine beträchtlich grössere Sehschärfe, als das andere, so pflegt der Kranke
die Objecte nur mit dem besseren Auge zu fixiren, und nur wenn man dieses
mit der Hand bedeckt, fixirt er sie mit dem andern Auge. Sind beide Augen
von ziemlich gleicher Sehschärfe, so ist das Schielen alternirend, das heisst
der Patient braucht zum Fixiren bald das eine, bald das andere Auge, beur-
theilt übrigens mit beiden Augen die Richtung der gesehenen Gegenstände
richtig. In der Mehrzahl dieser letzteren Fälle mm zeigt es sich, dass die
beiden Fixationspunkte nicht mehr Deckstellen sind, sondern dem Centrum der
Netzhautgrube des einen Auges eine andere, je nach der Richtung des Schielens
mehr nach innen oder aussen gelegene Stelle der andern Netzhaut correspon-
dirt. Der Schielende sieht alsdann einfach trotz der falschen Stellung seiner
Augen. Der Nachweis, dass er wirklich mit beiden Augen sieht, und nicht etwa
blos das eine Bild vernachlässigt, wie man sonst anzunehmen pflegte, kann
geführt werden, wenn man vor eines seiner Augen ein Prisma mit der brechen¬
den Kante nach oben oder unten gekehrt Dringt. Er sieht dann, wie ein
Normalsichtiger, zwei übereinanderstehende Doppelbilder des Objects. Durch
das Prisma wird nämlich das Bild des einen Auges nach oben verschoben, und
bei einer solchen Trennung des binocularen Ganzbildes in übereinander stehende
Halbbilder kann man leicht und sicher erkennen, ob beide Halbbilder gesehen
werden, und ob das eine oder das andere mehr nach rechts oder links steht.
Ebenso treten Doppelbilder auf, wenn man vor das eine Auge ein Prisma mit
der brechenden Kante nach links oder rechts gekehrt hält, wodurch das eine
Halbbild seitlich verschoben wird, selbst wenn das Prisma so gewählt und