376 ZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. §. 23.
Erscheinung scheint mir in dem schon erwähnten Umstande zu suchen, dass in
einem ermüdeten Nerven die neue Reizung langsamer verschwindet, als in
den umgebenden unermüdeten Theilen der Netzhaut.
Es scheint übrigens der Verlauf dieser Nachbilder intensiven Lichts bei
verschiedenen Personen nicht wesentlich verschieden zu sein, wenn sie unter
denselben Umständen entwickelt werden ; wenigstens stimmen in dieser Beziehung
meine eigenen Beobachtungen, so weit sie reichen, mit, Fechner’s und Sc or in's
überein.
Bei dieser complicirteren Farbenfolge dürfen wir vermuthen, dass durch
die stattfindende Ermüdung die Zeit, in der die Eindrücke der einzelnen Farben
in der Netzhaut schwinden, so wie auch die Perception des inneren Lichtnebels
geändert sei, und da wir weder diese Verhältnisse genau genug kennen, noch
wissen, wie die Ermüdung selbst hei verschiedenen Graden derselben für die
einzelnen Farbenempfindungen verschwindet, so ist eine vollständige Erklärung
der einzelnen Stadien dieses farbigen Abklingens nicht möglich. Um sie .zu
geben, würde zuerst der Verlauf der Ermüdung und ihr Einfluss auf den Ver¬
lauf der Erregung für die einzelnen reineren Farbeneindrücke bestimmt und
verglichen werden müssen.
Wenn wir das Abklingen des Nachbildes nach Eindrücken gesättigter
Farben genau beobachten, ist die Erscheinung allerdings sehr viel einfacher,
aber es fehlen Farbenveränderungen doch nicht ganz. Die Hauptzüge der Er¬
scheinung sind schon vorher angegeben worden. Es erscheint zuerst ein positives
dem primären Lichte gleich gefärbtes, später ein negatives complementäres Bild.
Der Uebergang von positiv zu negativ geschieht nun aber nach lebhafteren
Lichteindrücken in der Regel nicht so, dass das eine Bild einfach erblasst, und
dann das andere sichtbar würde, sondern in diesem Uebergangsstadium verändert
sich die Farbe durch weissliche Farbentöne hindurch. Hat man nur eine primäre
Faibe im Gesichtsfelde gehabt, so erscheinen die Farben des abklingenden
Bildes noch immer ziemlich gesättigt, und sind von mehreren Beobachtern als
gesättigte Farben angegeben worden, weil es im dunkeln Gesichtsfelde an einem
Vergleichungspunkte fehlt. Wenn man aber an dem nur momentan gesehenen
primären Objecte verschiedene Farben von ungefähr gleicher Helligkeit vor sich
hatte, so sieht man, dass die Nachbilder im Uebergangsstadium von positiv zu
negativ viel geringere Farbenunterschiede zeigen, als die ursprünglichen Farben,
indem sie alle stark gemischt sind mit dem rosarothen oder gelblichen Weiss,
welches auch die Nachbilder momentan gesehener weisser Objecte zeigen. In
dieser Beziehung ist namentlich das Nachbild eines momentan angeschauten
prismatischen Spectrum interessant. Nachdem noch einige Secunden die primären
Farben im Nachbilde sichtbar gewesen sind, und die lichtschwachen äussersten
Farben sich ganz verdunkelt haben, verwandelt sich das ganze Nachbild in
einen röthlich weissen Fleck von der Gestalt des Spectrum, in welchem Farben¬
unterschiede kaum noch angedeutet sind, nur zieht das frühere Gelb und Orange
etwas in das Bläuliche, woran sich an der Stelle des früheren Roth dessen,
schon negativ gewordenes grünblaues Nachbild anschliesst. Um mich über den
Ort der früheren Farben im Nachbilde orientiren zu können, musste ich auf