§• 20.
SYSTEM DER FARBENEMPFINDUNGEN.
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also sind auch Weiss, Grau und Schwarz Farben. Lichtschwache gesättigte
Farben unterscheiden wir durch den Zusatz „dunkel“, wie dunkelgrün, dunkel¬
blau; bei äusserst geringer Lichtstärke wenden wir für sie aber auch dieselben
Namen an, wie für lichtschwache weissliche Farben, nämlich für lichtschwaches
Roth, Gelb, Grün die Namen Rothbraun, Braun und Olivengrün, für über¬
wiegend weissliche Farben von geringer Lichtstärke wählt man dagegen Be¬
zeichnungen wie röthlichgrau, gelbgrau, blaugrau u. s. w.
Das Schwarz ist eine wirkliche Empfindung, wenn es auch durch Abwesenheit
alles Lichts hervorgebracht wird. Wir unterscheiden die Empfindung des Schwarz
deutlich von dem Mangel aller Empfindung. Ein Fleck unseres Gesichtsfeldes,
von welchem kein Licht in unser Auge fällt, erscheint uns schwarz, aber die
Objecte hinter unserem Rücken, von denen auch kein Licht in unser Auge fällt,
mögen sie nun dunkel oder hell sein, erscheinen uns nicht schwarz, sondern
für sie mangelt alle Empfindung. Bei geschlossenen Augen sind wir uns sehr
wohl bewusst, dass das schwarze Gesichtsfeld seine Grenze hat, wir lassen es
keineswegs sich bis hinter unseren Rücken erstrecken. Nur diejenigen Theile
des Gesichtsfeldes, deren Licht wir wahrnehmen können, wenn solches vor¬
handen ist, erscheinen schwarz, wenn sie kein Licht aussenden.
Dass Grau identisch sei mit lichtschwachem Weiss, Braun mit lichtschwachem
Gelb, Rothbraun mit lichtschwachem Roth, erkennt man am leichtesten durch
die prismatische Analyse des Lichts von grauen, blauen oder rothbraunen
Körpern, schwerer durch Projection des Lichts von der betreffenden Farbe und
Stärke auf einen Schirm, weil wir fortdauernd die Neigung haben zu trennen,
was in der Farbe oder dem Aussehen eines Körpers von der Beleuchtung und
was von der Eigenthümlichkeit der Körperoberfläche selbst herrührt. Der Ver¬
such muss deshalb so eingerichtet werden, dass der Beobachter verhindert wird
zu erkennen, es sei eine besondere Beleuchtung vorhanden. Ein graues Papier¬
blatt, welches im Sonnenschein liegt, kann heller aussehen, als ein weisses,
welches im Schatten liegt, während doch das erstere grau, das zweite weiss
erscheint, weil wir sehr gut wissen, dass das weisse Blatt in den Sonnenschein
gelegt, viel heller sein würde, als das graue, welches zur Zeit darin sich be¬
findet. Wenn man aber eine graue Kreisfläche auf weissem Papier anbringt,
und durch eine Sammellinse Licht auf sie concentrirt, ohne dass das weisse
Papier gleichzeitig mitbeleuchtet wird, so kann man das Grau weisscr erscheinen
lassen, als das weisse Papier, so dass in diesem Falle, wo der unbewusste
Einfluss des Urtheils ausgeschlossen ist, die Empfindungsqualität durchaus nur
als abhängig von der Lichtstärke erscheint.
Ebenso gelang es mir homogenes Goldgelb des Spectrum als Braun erscheinen
zu lassen, indem ich mittels einer unten auseinander zu setzenden Methode auf
einem weissen unbeleuchteten Schirme ein rechteckiges Feldchen damit beleuch¬
tete, daneben ein grösseres Feld des Schirms dagegen mit hellerem weissen
Lichte. Roth in derselben Weise angewendet gab Rothbraun, Grün, Olivengrün.
Berücksichtigen wir also noch die Lichtintensität, so finden wir, dass die
Qualität eines jeden Farbeneindrucks von drei veränderlichen Grössen abhängt,
nämlich der Lichtstärke, dem Farbentone und seinem Sättigungsgrade.