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ZWEITER ABSCHNITT, DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.
§■ 19.
Gelbgrün und Blaugrün, und dass endlich Grenzen der Farben im Spectrum wirklich nicht
existiren, sondern von uns nur der Nomenclatur zu Liebe willkiihrlich gezogen werden. Ich
selbst glaube deshalb, dass man diese Vergleichung aufgeben müsse.
Endlich hat in neuester Zeit auch Unger versucht, auf die Vergleichung der Lichtwellen¬
verhältnisse mit den musikalischen Intervallen eine Theorie der ästhetischen Farbenharmonie
zu gründen. In seinen factischen Angaben über die harmonirenden Farben scheint viel Wahres
zu sein, was grossentheils aus Kunstwerken richtig abstrahirt ist, aber seine Theorie, die
Vergleichung mit den musikalischen Verhältnissen, ist etwas gewaltsam erzwungen. Auf
seiner chromharmonischen Scheibe bat er Farbentöne zusammengestellt, die den 12 halben
Tönen der Octave entsprechen sollen, zu welchem Zweck er aber zwischen Violett und Roth
purpurrothe Farben einschaltet, die als einfache Farben nicht existiren.. In diese purpurnen
Töne lässt er die FRAUNHOFER’schen Linien G, //, A fallen, während die beiden ersteren das
reine Violett begrenzen, die letztere dem reinen Roth angehört. Die einfachen Farben, welche
über das Violett hinausliegen, sind in Wahrheit blau, nicht purpurroth. Die vollkommenste
Harmonie soll dem Duraccord entsprechen. Dieser liefert auf seiner Scheibe z. B. die viel
gesehene Zusammenstellung der italienischen Maler: Roth, Grün, Violett. Aber der richtige
Duraccord, wenn man Grün als grosse Terz nimmt, wäre Roth, Grün, Indigblau. Den antiken
Malern fehlt ein gutes Roth, sie brauchen Mennige, Orange, dafür und bilden den Accord:
Orange, Grünblau, röthlich Violett. Die Mollaccorde geben einen sanfteren und trüberen
Eindruck, die verminderten und übermässigen Dreiklänge geben einen pikanten, weniger
künstlerisch reinen Eindruck. Ich glaube, dass man für die richtigen Beobachtungen der
Farbenwirkung, die sich bei Unger finden, statt der erzwungenen musikalischen Analogien
einen anderen Grund suchen muss. Die gesättigten Farben bilden in der That eine in sich
zurücklaufende Reihe, wenn wir die Lücke zwischen den Enden des Spectrum durch die
purpurnen Töne ergänzen, und dem Auge scheint es angenehm zu sein, wenn ihm drei
Farben geboten werden, die ungefähr gleichweit in der Reihe auseinanderliegen. Die oben
erwähnte berühmte Zusammenstellung der italienischen Maler: Roth, Grün, Violett, welche
keinem richtigen Duraccorde entspricht, entspricht in Wirklichkeit den drei Grundfarben von
Th. Young, und darin kann der Grund ihrer ästhetischen Wirkung liegen. Andere Farben, in
richtiger Distanz von einander gewählt, machen einen ähnlichen befriedigenden Eindruck. Wo
zwei derselben sich zu sehr nähern, wird der Eindruck minder rein. Das ist vielleicht die
Bedeutung von Unger’s Beobachtungen; übrigens kann offenbar bei der sogenannten Farben¬
harmonie von einer so strengen Bestimmung wie bei den musikalischen Intervallen nicht die
Rede sein.
384— 322. v. Ch. Aristoteles de coloribus.
1571. Jon. Fleischer de iridibus doctrina Aristotelis et Vitellionis. Vitembergae 1571. p. 80.
1583. Jo. Bapt. Porta de refractione libri novem. Neapoli 1583. lib. IX.
1590. Bernardini Telesii opera. Venetiis 1590. De Iride et coloribus.
1611. M. Antonii de Dominis de radiis visus et lucis in vitris perspectivis et Iride.
Venetiis 16-11.
1613. Maurolycus de lumine et umbra. Lugd. 1613. p. 57.
1637. Cartesius de meteoris. Cap. VIII.
1648. Jo. Marcus Marci Thaumantias, liber de arcu coelesti, deque colorum apparentium
natura, ortu et caussis. Pragae 1648.
1665. R. Hooke. Micrographia. London 1665. p. 64.
1675. *1. Newton in Philosophical Transact. 1675. (Erste Notizen über seine Ansicht) —
Optics. London 1704. (Vollständige Ausarbeitung seiner optischen Entdeckungen) —
Lectiones opticae.
1711. De la Hire. Mein. de l’Acad. des Sc. 1711. p. 100.
1746. Euler. Nova theoria lucis colorum in den Opusculis varii argumenti. Berol. 1746.
p. 169 — 244.
1752. Euler in Mein, de l’Acad. de Prusse I7S2. p. 271. Essai d’une explication des
couleurs.
Gegen Newton.
1727. Rizetti. Specimen physico math, de luminis affectionibus. Ven. 1727.
1737. Leblond. Harmony of colouring. London.
1740. Castel. L’optique des couleurs. Paris.
1750. Gautier. Chroagenesie ou génération des couleurs contre le système de Newton.
Paris. 2 vol. 8.
1752. Gautier. Observations sur l’histoire naturelle, sur la physique et la peinture. Paris.