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Kinematographie, Mikroskop und Ultramikroskop.
jekt diente eine Latexlösung der Kautschukpflanze. An Hand der
Aufnahmen konnte die relative Geschwindigkeit und Richtung
der Bewegung bestimmt werden. Die mit diesem Gegenstand sich
befassenden Arbeiten von S e d d i g (1909) sowie B i 11 z u. Sie¬
de n t o p f wurden weiter oben (S. 25 u. 103) erwähnt, Von letz¬
teren wurde das Ultramikoskop angewandt.
Die Verbindung des Ultramikroskopes mit dem Kinemato-
graph hat die Untersuchungsmethoden um ein wertvolles Mittel
bereichert. Was für einen Fortschritt bedeutete ‘doch das von
Siedentopf und Zsigmondy (1903) ersonnene Ultramikroskop ge¬
genüber dem gewöhnlichen Mikroskop! Mit letzterem war es nur
möglich, Kadaver von Mikroorganismen und von vielen Zellen¬
elementen zu beobachten, weil die Objekte im durchfallenden Licht
beobachtet und deshalb gefärbt werden mussten, wenn sie sehr
transparent waren, die Färbung aber den Tod bedeutete. Beim
Ultramikroskop dagegen ist keine Färbung notwendig; denn die
Körper werden gewissermassen selbstleuchtend gemacht und er¬
scheinen hell auf dunklem Grund. Man beobachtet hier nichts
Abgestorbenes, sondern Lebendiges. Demgemäss sind die ultra¬
mikroskopischen Präparate ihrer Natur nach flüchtig und das
gegebene Objekt für den Kinematograph.
Reicher (1910), unterstützt von Scheffer, gelang als
erstem unter Anwendung der Dunkelfeldbeleuchtung die Auf¬
nahme bewegter Blutkörperchen, der wohlbekannten Bewegung
von Fetttröpfchen im Blut sowie der ins Blut eingebrachten
Krankheitserreger. Man sieht auf seinen Filmen, wie die Bazillen
über die roten Blutkörperchen herstürzen, um sie zu verzehren.
Comandon konnte mit Hilfe seiner durch viele Vorführungen
bekannt gewordenen ultramikroskopischen Aufnahmen bemerkens¬
werte Tatsachen sowohl auf dem Gebiete der Physiologie als auch
auf dem der Pathologie nachweisen. Seine Bilder zeigen die Zir¬
kulation in den Kapillaren des Frosches, sowie bei Asellus, einem
kleinen Süsswasserschaltier, das keine Blutgefässe hat und dessen
Blutkörperchen durch alle Gewebe ziehen. Im Blut einer we¬
nige Tage alten Ratte sieht . man ausser den gewöhnlichen
Blutelementen eine grosse Menge feinster, glänzender Punkte
in lebhaft zitternder und flimmernder, sogenannter Molekularbe¬
wegung ; man nannte sie Haemokonien und weiss jetzt, dass sie
im wesentlichen aus allerfeinsten Fettröpfchen (x i00o rnm und
kleiner) bestehen, die aus der Nahrung stammen. Die Ratte hatte
kurz vor der Blutentnahme ihre mütterliche Milchmahlzeit genos¬
sen. Comandons Aufnahmen der parasitären Blutkrankhei¬
ten, die in der Projektion bis zu 40 000facher Vergrösserung
gebracht werden, betreffen verschiedene Formen der Spirochae-
tosen, Spirochaeta des Huhns, Spirochaeta Duttoni, Erregerin
des afrikanischen Rückfallfiebers, Spirochaeta pallida Schaudinn,