gliederung, sie fügt sich bis zu gewissem Grade einem bestimmten
Akzentnetz ein, wenn auch dieses selbst für sich nicht als schema¬
tisch bezeichnet werden darf, da ja viele feine Betonungsunter^
schiede, über- und untergeordnete Akzente, durch den synthetischen
Aufbau der Teilstücke gegeben sind. Bei alledem ist also nur an
eine Symmetrie der Ausmaße, zufolge der Akzentabstände, zu
denken.
Aber zur Frage des geänderten Akzentcharakters tritt damit eine
zweite psychologische Grundfrage: wodurch vollzieht sich dieser
synthetische Aufbau? Daß die Akzente selbst ein geistiges Phä¬
nomen, bloßes Nachwirken eines physischen sind, war schon zu
betonen; aber ist diese Einordnung der einzelnen Akzente in
ein übergeordnetes Akzentsystem ein körperlich vorbestimmter
oder auch wieder geistiger Vorgang? Es ist wahr, schon im Schritt
liegen Unterschiede von leicht und schwer, sicher gliedern sich zwei
und zwei, bei elastischerem Marschieren wohl auch vier und vier
Schritte; aber einerlei wie weit das gehe, es bleibt doch sehr
zweifelhaft, ob selbst der Wechsel von starkem und leichterem Tritt
physisch bedingt sei1). Selbst wenn das der Fall sein sollte, so
bleibt doch demgegenüber viel wesentlicher, daß bei gleichmäßigen
Akzenten, sei es von Schritten oder Arbeitsbewegungen (Pochen,
Schwingen2) usw.), auch schon eine geistige Gliederung ansetzt; sie
hört Unterschiede hinein, wie man schon am berühmten Beispiel
des Uhrpendels erkennt: real sind seine Schläge gleich stark, im
Hören aber legt man einen Rhythmus, einen eingebildeten Be¬
tonungswechsel hinein3). Kein Zweifel, daß auch diese geistige
Funktion schon das Schrittgefühl selbst regelt, wesentlicher jeden¬
falls als etwaige Ungleichheit in der Kraft oder vielleicht Schwere
einer Körperhälfte. Eher schon könnte man eine „körperliche“
Mitanregung zum Gruppieren der Akzente beim Tanz darin er¬
blicken, daß sich die einzelnen Schritte zu Reigenfiguren gruppie-
Z. B. durch größeres Gewicht der linken Körperhälfte oder physio¬
logische Unterschiede feinerer Art.
2) S. Karl Bücher, „Arbeit und Rhythmus“ (2. Aufl., Leipzig 1899).
3) Nach den Versuchen von Wundt (a. a. O. III. 98f.) hören Versuchs¬
personen jene Rhythmen in die Schläge eines Taktierapparats hinein,
die in den ihnen geläufigen Sprachformen vorherrschen.
Kurth, Musikpsyehologie. 20
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