den Quintenentfaltungen aus, den beiden Tonartenanordnungen,
die sich in weiteren Dominanten und Unter dominant en ketten;
z. B. von C-Dur aus in den Tonarten C — G — D — A . . . , den
Unterquint-Tonarten C—F—B — Es...., unter stetigem
Zutritt von neuen # oder als Tonartsvorzeichen. Gerade das
droht sich in einem äußerlich einfachen Mechanismus darzustellen,
der vom Dynamismus der Entwicklung ablenkt. Denn vor allem
ist der Tonartenkreis nicht nur ein Spiel mit Grundtönen, sondern
mit Leittönen; bei jeder dominantischen Fortschreitung, z. B. von
C-Dur nach G-Dur, erfordert die neue Grundskala Änderung der
VII. Stufe (also in G-Dur des f zu fis, in D-Dur des c zu cis usf).
Eben das bewirkt für die inneren Tonartsordnungen den dyna¬
mischen Ausgleich, aber für die Tonarten untereinander den dy¬
namischen Unterschied: verglichen mit C-Dur treten bei domi-
nantischem Fortschreiten immer höhere Intensivierungen ein, weil
neue Leittonwirkungen durchdringen1). Umgekehrt wird beim
Wechsel von C-Dur nach F-Dur gerade Erniedrigung des Leittons
h zu b nötig, und analog ist es weiter in unterdominantischen Fort¬
schreitungen stets der vordem intensivst wirkende Ton, der er¬
niedrigt wird. Dies Einschalten und Ausschalten von Leittönen
bewirkt einen Wechsel von Intensitätseinheiten, weist also
bereits auf eine psychologisch-dynamische Wirkung, welche die
Klanglagerung der Quintreihen durchdringt2).
*) Nicht also die Skala selbst sieht anders aus, aber sie und ihre ganze
Tonart wirken neben C-Dur in Unterschieden, die keineswegs mit der
„gehörsmäßigen“ Transposition erledigt sind. — Bei den Kirchenton¬
arten bedeutete jede Skala eine eigene Individualität; alle hatten Ähn¬
lichkeiten, unterschieden sich aber durch Tonordnung charakteristisch.
Die heutigen Tonarten gleichen sich innerlich vollkommener als irgend¬
welche Organismen; und doch hat jede ihre Individualität wieder in
einem andern Sinne: erst die Beziehung zum C-Dur bildet den Tonarts¬
charakter heraus.
2) Bekanntlich spricht man statt von Quintreihen meist vom Quinten¬
kreis (oder-zirkel), weil sich beide Entfaltungen in Fis-Dur und Ges-Dur, die
zusammengestimmt sind, begegnen und auch darüber hinaus wie in zu¬
sammenfallenden Kreisbahnen „enharmonisch“ ineinanderlaufen: höhere
dominantische Tonarten, wie Cis- und Gis-Dur usf. decken sich mit den ein¬
facheren subdominantischen Des- und As-Dur usf., die sich also wieder
dem C-Dur nähern, und umgekehrt. Aus dem oben Angeführten ergibt sich,
daß ein enharmonischer Wechsel keinen bloßen geänderten Lesemechanis¬
mus, sondern einen musikpsychologischen Vorgang von hoher Komplikation
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