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R. Sommer.
gleichenden Biologie in morphologischer und psychopathologischer
Richtung zu studieren, 2. die Frage, ob auch bei Reptilien, Am-
phiblien und Fischen die gleiche Störung vorkommt, d. h. also im
ganzen Wirbeltierreich. Bisher ist sie besonders bei den als Stalltiere
in der Nähe der Menschen lebenden Tierarten, und einigen anderen
relativ leicht zu beobachtenden bekannt. Jedenfalls ist diese Krankheit,
die man nicht einfach als Mißbildung bezeichnen darf, biologisch sehr alt.
Entsprechend dieser Betrachtungsweise fordert S. eine vergleichende
Psychologie und Psychopathologie von den niederen bis zu den
höchsten Tierformen. Dementsprechend hat S. seit 3 Jahrzehnten
die verschiedensten Tierarten vergleichend betrachtet. Die 1914 bei
dem experimentell-psychologischen Kongreß in Göttingen berührte
Frage der Elberfelder Pferde ist nur ein Spezialfall bei dieser Unter¬
suchung. Damals wurde eine Kommission unter dem Vorsitz von S.
zur Prüfung dieser Frage eingesetzt. Über „den Anfangsunterricht
bei den Elberfelder Pferden“ hat S. in der Zeitschrift von M ar b e 1916
berichtet. Zur weiteren Untersuchung hat S. im Dezember 1918 bei
dem Rückzug der Truppen ein kleines Russenpferd erworben und
jetzt 21l2 Jahr beobachtet. Im Laufe dieser Untersuchungen haben
sich immer mehr Beziehungen zu bestimmten psychopathologischen
Grundsymptomen beim Menschen ergeben. Unterdessen ist die psych¬
iatrische Symptomatologie an einen Punkt gelangt, an dem sie not¬
wendigerweise eine Anregung von anderer Seite verlangt. S. sucht
dieses weiterbildende Moment in einer vergleichenden Psychologie
und Psychopathologie. Im Einzelnen behandelt er
1. die reproduktive Assoziation, die besonders bei dem Pferd in
erstaunlicher Weise vorhanden ist, so daß lange Reihen optisch¬
motorischer Art, ohne jede Abschweifung durch Seitenketten, genau
wiederholt werden. Das Problem der Elberfelder Pferde läuft auf
2 Fragen hinaus: 1) wieweit Bewegungen auch minimalster Art von
dem Tier aufgefaßt werden, so daß eine psychische Bremsung im Ab¬
lauf der Klopfbewegungen eintritt, die sich an bestimmte optische
oder akustische Eindrücke heften, 2) ob es möglich ist, mit optischen
Zeichen komplizierter Art Bewegungsreihen der Vorderfüße beim
Pferde psychophysisch zu verknüpfen. Letztere Frage muß weiter
geprüft werden. In der menschlichen Psychopathologie kommt es
vor, daß die reproduktive Assoziation ausgezeichnet entwickelt ist,
während völliges Fehlen von Begriffen vorliegt. S. erläutert dies
durch Vorstellung eines klinischen Falles.
2. Bei Pferden können psychophysische Komplexe, die ursprüng-