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Th. Erismann.
im allgemeinen viel schwerer wegzubringen sind, hängen ab von der
akustischen Stärke des Anschlages beim Anhalten der Bewegung und
anderen akustischen Momenten; auch hier kann die Erwartung zeit¬
verlängernd wirken, aber es ist eine total andere Erwartung des end¬
lichen Bewegungsschlusses, als es die oben genannte Vorerwartung
des Bewegungsanfanges war. — Mit diesen objektiven Befunden
stimmen auch die Aussagen der Vp. aufs beste überein: soll Vp.
Strecken schätzen, so kann sie (bei guter Einstellung !) nachher nichts
über die Zeiten sagen, — was doch zu erwarten wäre, wenn Strecken
nach Zeiten geschätzt wären! Auch das umgekehrte Verhältnis hat
seine Gültigkeit. Ebenso sind alle Einzelkriterien, die hei der Schätzung
verwendet werden, anders bei Strecke als bei Zeit (die ganze Auf¬
merksamkeitsrichtung ist eine andere).
Zur Klärung der evtl. Abhängigkeit dieser Streckenschätzungen
von der Auffassung der Anfangs- und Endlage wurde eine Unter¬
suchung der US für Lageauffassung des Auges ausgeführt. Zum
Vergleich konnten nur abs. US herangezogen werden, da bei der Lage¬
auffassung von einer relativen UE nicht gesprochen werden kann.
Nach der Fixierung des N-Punktes wurde das Auge nach einem rechts,
dann links, dann wieder rechts aufleuchtenden Punkt gewandt, dann
erst erschien der V-Punkt; die Lage des N-Punktes mußste also wie bei
früheren Versuchen im Gedächtnis behalten werden. Die erhaltene US
betrug 0,25 °, während die US für Streckenschätzung bei adäquatester
Geschwindigkeit 0,060 betrug, also um Vielfaches besser war. Bei
kleinster Geschwindigkeit betrug sie allerdings 0,15°, und hier sagen
auch die Vp. manchmal aus, sie hätten die Lageauffassung bei der
Streckenschätzung herangezogen. Ein direkter Ausschluß der Möglich¬
keit bei Streckenschätzungen mit Hilfe des bewegten Auges sich
nach Anfangs- und Endlage zu richten wäre immerhin noch er¬
wünscht; er läßt sich in gleicher Weise ausführen, wie er in den
Bonner Arbeiten für den bewegten Unterarm bewerkstelligt wurde. —
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die UE für Strecken¬
schätzungen mit Hilfe des bewegten Auges recht fein ist, und daß sie
aller Wahrscheinlichkeit nach eine ursprüngliche, auf keine ander¬
weitigen Kriterien zurückzuführende Auffassung und Schätzung der
Streckengröße darstellt. — Die Versuche wurden ausgeführt von
Herrn Hüls er, Erl. Dr. Lentz und Frl. Pirig im psychoL Institut
zu Bonn.