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die kleinste Fläche zu einer ganzen Welt von Erscheinung
entwickeln kann“, wenn wirklich jeder Strich einem anschau¬
lich Vorgestellten, einer bewussten und empfundenen Form
entspricht, wenn er räumliche Bedeutung hat. Kardinah
und Angelpunkte des Zusammenhangs und der Gliederung
sind aber für Marées: die aufruhenden Teile des Körpers
und die Gelenke.
Wir übergehen die besonderen Kompositionsprinzipien
Marées’, es sind die Prinzipien einer klassischen Kunst,
ebenso die Bemerkungen über die Maltechnik vor der Bild¬
tafel, die wir in unserm Büchlein finden, und heben nur noch
weniges heraus.
Indem Marées das Ziel , der Malerei darin sieht, dass
sie eine anschauliche Vorstellung zu möglichst klarer ;und
vollständiger bildnerischer Entwicklung bringe, besteht er
auf einem Realismus, wobei er aber nicht an eine Naturnach¬
ahmung denkt, sondern an eine Schöpfung, wie sie aus
einem hochentwickelten Seh- und Vorstellungsvermögen her¬
vorgeht.
Marées sah in der künstlerischen Tätigkeit einen Er¬
kenntnisprozess, ein unmittelbares Erfassen der uns um¬
gebenden Welt durch das äussere und innere — gestaltende
— Gesicht. Wie Dürer galt ihm das Gesicht als der
edelste Sinn des Menschen, dessen Ausbildung aber auch
als die schwierigste Aufgabe, die ein ganzes Menschenleben
mit all seinen physischen, geistigen und sittlichen Kräften in
Anspruch nehme.
Den Trieb nach Einheit und Harmonie äussert der
Mensch als Drang nach Erkenntnis. Und der Künstler macht
keine Ausnahme. Auch in ihm spielt sich das Ringen der