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Ueber die mechanische Auffassung der Natur.
Physiologie mit sich geführt haben. Wir wissen heute, dass die
Bilder, welche uns unsere Sinne von der Aussenwelt liefern, nicht
»wirkliche Abbilder von irgend einem Grade der Aehnlichkeit«
sind*), sondern nur Zeichen für gewisse Qualitäten der Aussen¬
welt, welche als solche in dieser nicht existiren, vielmehr lediglich
unserem Bewusstsein angehören. Wir wissen also sicher, dass die
Welt nicht so ist, wie wir sie wahrnehmen, dass wir das »Ding an
sich« nicht erkennen können, dass das Reale stets für uns trans-
scendent bleiben wird. Wer wollte aber bestreiten, dass in dieser
Erkenntniss ein bedeutender Fortschritt enthalten ist, trotzdem die¬
selbe zum grossen Th eil negativer Natur ist? Wie wir aber hinter
der Erscheinungswelt unserer Sinne eine wirkliche Welt annehmen
müssen, von deren wahrem Wesen wir nur unvollkommene (näm¬
lich nur in Bezug auf Zeit und Raum der Realität entsprechende)
Kenntniss erhalten. so müssen wir hinter den zweckmässig oder
» zielstrebig « zusammenwirkenden Kräften der Natur eine ihrem
Wesen nach nicht weiter erkennbare Ursache erschliessen, von der
wir eben nur das Eine mit Bestimmtheit aussagen können, dass sie
eine teleologische sein muss. Wie die erste Erkenntniss uns erst
den wahren Werth unserer Sinneseindrücke erkennen lässt, so lässt
die zweite uns erst die wahre Bedeutung des Welt-Mechanismus
ahnen.
In beiden Fällen erfahren wir freilich nicht viel mehr, als dass
hier noch Etwas vorhanden ist, was wir nicht erkennen, aber in
beiden Fällen ist diese negative Erkenntniss von grösstem Werthe.
Das Bewusstsein, dass hinter dem für uns allein begreiflichen Me¬
chanismus der Welt noch eine unbegreifliche, teleologische Welt-
ursache liegt, bedingt eine ganz andere, der materialistischen
gradezu entgegengesetzte Weltanschauung. Sehr richtig und
schön sagt B a e r : » Einen Zweck können wir uns nicht anders den¬
ken, als von einem Wollen und Bewusstsein ausgehend. In einem
solchen wird denn auch wohl das Zielstrebige seine tiefste Wurzel
haben, w7enn es uns als eben so vernünftig wie nothwendig er¬
scheint.« Denken wir uns eine diese Welt wollende, göttliche
Allmacht als letzten Grund der Materie und der ihr anhaftenden
*) Vergleiche : Helmholtz, Populäre Wissenschaft!. Vorträge. Heft 2.
Braunschweig)! 872.