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Ueber die mechanische Auffassung der Natur.
Naturzüchtung undenkbar ist, sobald man die Um¬
wandlungen in Sprüngen erfolgend sich vorstellt.
Man illustrirt stets die supponirte »heterogene Zeugung« mit
dem Paradigma des .Generationswechsels, man denkt sich also die
Entstehung einer üeuen Thierform in der Weise, wie wir heute bei
der cyclischen Fortpflanzung der Medusen die frei schwimmenden
Glocken der Quallen von festgewachsenen Polypenstöckchen her¬
vorsprossen sehen, oder durch innere Knospung (Trematoden)
Saugwürmer von sog. Keimschläuchen; kurz man denkt sich, dass
eine Thierform eine zweite starkabweichende Thierform plötz¬
lich und selbstverständlich aus rein inneren Ursachen hervor¬
bringe. Nun würde es aber ein unabweisliches Postulat an diese
Theorie sein, dass durch einen solchen Process sprungweiser Ent¬
wicklung nicht etwa ein blosses Schema des neuen Thiertypus
entstehe, sondern sogleich wirklich lebensfähige, in be¬
stimmten Lebens Verhältnissen ausdauernde, auf be¬
stimmte Verhältnisse berechnete Individuen.
Jeder Naturforscher aber, der sich eingehend über die Bezie¬
hung vom Bau zur Lebensweise aufzuklären suchte, weiss, dass
selbst die kleinen Unterschiede, welche Art von Art scheiden, stets
eine Menge kleiner Structur - Abweichungen enthalten, welche
sich auf ganz bestimmte Lebensbedingungen be¬
ziehen; er weiss, dass überhaupt bei jeder Thierart der ge-
sammte Bau in allen seinen Theilen aufs Genaueste den
speziellen Lebensbedingungen angepasst ist. Es ist nicht Ueber-
treibung, wenn ich sage, in allen seinen Theilen, denn auch die
sogenannten » rein morphologischen Theile «könnten nicht an¬
ders sein, als sie sind, ohne andere Theile zu ändern, welche
eine bestimmte Function ausüben. Ich will zwar nicht behaupten,
dass auch bei sehr nahe verwandten Arten alle Theile des Kör¬
pers in gewisser Weise, wenn auch nur wenig voneinander ab¬
weichen müssten, obgleich es mir nicht unwahrscheinlich ist, dass
eine genaue Vergleichung sehr häufig dieses Resultat liefern
würde. Dass aber bei Thieren, welche in morphologischer Be¬
ziehung so weit voneinander abstehen, wie Quallen und Polypen,
oder wie Saugwürmer und ihre Ammen, injedem ihrer Theile
anders gebaut sind, das kann man mit Bestimmtheit sagen.
Nun wäre zwar diese starke Abweichung in allen Theilen für