die Linse oder besser das Linsensystem. Eine
einzelne Linse hat nämlich verschiedene Feh¬
ler, die nur durch Zusammenstellung mehre¬
rer sorgfältigst berechneter Linsen beseitigt
werden können. Allen denjenigen, die wün¬
schen, daß ihnen Ausdrücke wie Aplanat, Dop-
pelanastigmat usw. nicht bloß leere Namen
seien, wird das Studium der in den nach¬
folgenden Versuchen behandelten Linsenfehler
sehr empfohlen. Es ist überaus interessant zu
studieren, wie es dem unermüdlichen Men¬
schengeist gelungen ist, der Schwierigkeiten
Herr zu werden.
215. Chromatische Abweichung:
In Versuch 54 ist uns sicherlich aufgefallen,
daß der Rand des Lichtkegels auf dem Klötz¬
chen vor der Vereinigung im Brennpunkt rot
gesäumt ist. Hinter dem Brennpunkt, also da,
wo sich die Strahlen nach der Kreuzung wieder
zerstreuen, beobachtet man im Gegensatz
blauen Saum. Der Brennpunkt scheint weiß,
weil sämtliche Strahlen auf ihn fallen (siehe
124). Die Linse wirkt ähnlich, wie zwei mit
der stumpfen Seite aneinander gesetzte Pris¬
men. Beide lenken die Strahlen gegen die
Linsenachse zu und zwar blau stärker als rot,
weswegen sich denn auch die blauen Strahlen
näher der Linse schneiden. Wieviele Milli¬
meter liegt der Brennpunkt der blauen Strah¬
len der Linse näher als derjenige der roten?
216. In dem Versuch kann die in einem spä¬
teren Versuch (220) zu erklärende Erschei¬
nung stören, nicht aber, wenn wir die Blende
B vor die Linse setzen. Jetzt sieht man deut¬
lich, wie der Brennpunkt etwas in die Länge
gezogen und anfangs blau, weiter rot erscheint.
217. Wenn wir mit Schirm A oder mit W
das Sonnenbildchen auffangen und zum
Zwecke schärfster Einstellung die Mattscheibe
sehr wenig vor und zurückschieben, bemerken
wir statt des gewünschten schärfsten Bildes
einen rötlichen Punkt, umgeben von blauem
Saum oder näher gegen die Linse zu einen
blauen Punkt innerhalb eines roten Kreischens.
Zuerst war die Mattscheibe im Brennpunkt
der roten Strahlen, dann im blauen Brenn¬
punkt. Die ungleiche Brechung verursacht eine
Unschärfe des Bildes. Dieser Farbenfehler
kann durch Abblenden nicht beseitigt werden,
sondern er wird dadurch behoben, daß man
durch eine Zerstreuungslinse aus stärker
brechendem F1 i n t g 1 a s von genau berechne¬
ter Krümmung die blauen und grünen Strahlen
so weit nach außen bricht, daß ihr Brennpunkt
mit dem der roten Strahlen zusammenfällt.
Solche von farbigen Fehlern freie Linsenpaare
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heißen auch achromatische Linsen. Sie
geben schärfere Bilder, sind aber teuer.
218. Die Blende auf der Tafel am Schluß
des Buches schneiden wir aus und legen
sie auf die mit Wasser etwas angefeuchtete
flache Seite der Linse L. Sie bleibt dann
genügend lange auf dem Glas haften. Mit
Leim könnte man das Glas beschädigen.
Es treten jetzt Sonnenstrahlen sowohl durch
den von der Blende nicht bedeckten Rand
als auch durch die Linsenmitte. Ihre Ver¬
einigung wird in der üblichen Art beobachtet,
die flache Linsenseite gegen das Licht zu ge¬
wendet. Es treten zwei deutlich getrennte
Brennpunkte auf. Welcher rührt von den Rand¬
strahlen her, welcher von den Mittenstrahlen?
Daß jeder der beiden Schnittpunkte noch die
chromatischen Fehler erkennen läßt, sei hier¬
bei vernachlässigt. Die flache Seite der Linse
ist stets der Lichtquelle zugekehrt.
219. Durch Vorsetzen der Blende B in obige
Anordnung oder nachheriges Abdecken der
Mittelöffnung mit einem kleinen Kartonscheib¬
chen, das an einer Nadel aufgesteckt und ge¬
halten sein möge, läßt sich beobachten, daß die
Randstrahlen eine kürzere Vereinigungsweite
haben, als die Mittenstrahlen.
Wir entfernen das Klötzchen und suchen in
der im übrigen gleich gebliebenen Anordnung
des Versuches 217, das von den Randstrahlen,
wie das von den Mittenstrahlen gelieferte Son¬
nenbild und zwar jedes für sich allein. Wie
erwartet ist ersteres näher der Linse deutlicher
als letzteres.
220. Bei einem Versuch, beide Strahlenbilder
gleichzeitig aufzufangen, zeigen sich zwei Stel¬
len größter Deutlichkeit entsprechend den
Rand- und Mittenstrahlen. Aber stets legt sich
über das deutliche Bild der größere ver¬
schwommene Kreis der nicht berücksichtigten
Strahlen und beeinträchtigt die Bildschärfe
sehr. Dieser zweite Fehler ist durch die ku¬
gelförmige Wölbung der Linsenflächen verur¬
sacht und heißt darum sphärische Ab¬
weichung. Damit soll nicht gesagt sein,
daß bei einer anderen Formgebung z. B. bei
Parabelflächen nicht ebenso störende Ab¬
weichungen auftreten würden.
221. Die Unmöglichkeit, ein scharfes Bild zu
bekommen zeigt sich auch, wenn man von
der Linse ohne jegliche Blende einen hellen
Körper, z. B. eine Glühlampe, abbilden läßt.
Immer überlagert sich der störende Lichtkreis.
222. Bisher war stets unbedingt die flache
Seite der Linse dem leuchtenden Körper zu¬
gekehrt. Die Versuche 220 und' 221 sind zu
wiederholen, dabei aber die Linse mit der