624 Kap. XXVIII. Qualitative Strebungen. Zwecke und Mittel.
einen Wiederhall erzeugt, der den Geschmacksempfindungen ent¬
gegenkommt. Speziell bezeichneten wir den seelischen Zustand als
Stauung seelischer Erregungen, d. h. als Hemmung ihres natur-
gemässen Ablaufes. Die Stauung macht, dass die Erregungen
der Geschmacksempfindung, die ihnen verwandt ist, in die sie
also Ubergehen können, besonders entgegenkommen. In diesem Ent¬
gegenkommen hat die Lust ihren Grund. Aber mit der Lust
schwindet das Streben nach der Geschmacksempfindung nicht ohne
weiteres. Es bleibt, so lange der Grund desselben bleibt, so lange
also die Hemmung und Stauung besteht. Dieser schafft die Ge¬
schmacksempfindung momentan Luft, aufgehoben aber wird sie
durch dieselbe nicht. Erst indem die mit der Geschmacksempfin¬
dung verbundenen körperlichen Vorgänge, die Vorgänge der Er¬
nährung, den Hungerzustand aufbeben, endigt aach der seelische
Spannungszustand und damit das Streben. Die gestauten Erregungen
können wie sonst abfiiessen, kommen also einer zukünftigen Ge¬
schmacksempfindung nicht mehr in der besonderen Weise entgegen.
Dagegen besteht zwischen der Erfüllung des Strebens nach
Empfindung des schönen Tones und der schönen Farbe und der
daran geknüpften Lust einerseits, und der ßeendigung des Strebens
andrerseits ein unmittelbarerer Zusammenhang. Weil dem Streben
kein besonderer seelischer Zustand zu Grunde liegt, so bedarf es
auch keiner besonderen Veränderung in der Seele zur Aufhebung
desselben. Die Empfindung fiiesst, nachdem sie durch das seelische
Leben emporgehoben ist, wieder in dasselbe zurück und sie tut
dies immer leichter und energischer. Immerhin hängt doch in
beiden Fällen das Gefühl der Befriedigung oder Lust mit der Be¬
friedigung d. h. Beendigung des Strebens gesetzmässig zusammen.
Man könnte nun aber fragen, warum im ersten der beiden
Fälle das Gefühl der Lust, im zweiten das Gefühl der Lust und
die Beendigung des Strebens nicht, ebensowohl wie durch die
Empfindung, auch durch die blose Vorstellung herbeigeführt wer¬
den könne. Dass als Antwort darauf der Hinweis auf die Energie
des Strebens nicht genügt, zeigen die Fälle, in denen ein an sich
Widriges zur Empfindung aufstrebt. Ich gebe dem Streben nach, ge¬
horche dem Trieb, auf das ausgesucht Abscheuliche, von dessen Exi¬
stenz ich weiss, mein Auge zu richten. Ich finde mich aber, nachdem
mein Streben sich erfüllt hat, keineswegs befriedigt, sondern in höhe¬
rem Maasse entsetzt, als dies der Fall war, so lange ich den Gegen-