560 K*p XXIV. Die erfahrungsgemässe Erweiteruug des Gesichtsraumes.
Wir wissen von der tatsächlichen Einfachheit aus Erfahrungen,
die wir an Objekten bei anderer Lage machten, wo keine oder
weniger von einander abweichende Doppelbilder sich einstellten,
wir wissen davon aus den Erfahrungen des Tastsinns, wir wissen
davon endlich auch aus den Erfahrungen, die wir eben bei der
successiven binocularen Fixation machen. Jeder Punkt, den wir
gerade fixiren, und damit in der Regel zugleich auch vorzugsweise
zum Gegenstand unserer Aufmerksamkeit machen, erscheint uns
als einer. Indem nun die einheitlichen Punkte sich aneinander¬
reihen und stetig aneinanderreihen, muss der Gedanke eines ein¬
heitlichen Objektes entstehen. Wir können sogar das Vorstellungs¬
oder Erinnerungsbild, zu dem sich die einheitlichen Punkte, trotz¬
dem dass sie in der Wahrnehmung immer wieder auseinander¬
geben, zusammenschliessen, als ein Verschmelzungsbild der ganzen
Doppelbilder bezeichnen. Es besteht also in gewissem Sinne tat¬
sächlich ein solches. Nur freilich kein Bild, zu dem die Wahr¬
nehmungsbilder in der Wahrnehmung zusammenschmölzen.
Für die Wahrnehmung bleiben die verschiedenen Bilder in ihrer
Verschiedenheit bestehen, wir mögen ihnen noch so sehr in Ge¬
danken jenes Vorstellungsbild unterschieben.
Wir würden es ihnen nun aber nicht so leicht unterschieben,
wenn nicht andere» Momente hinzukäraen. Wie schon gesagt, kann
das eine der Doppelbilder im Wettstreit untergeben. Dem übrig
bleibenden einen substituiren wir dann leichter in Gedanken das
einheitliche Verschmelzungsbild. Jenes Untergehen eines der Bil¬
der ist aber nicht nur möglich, sondern auch nach allgemeinen
Erfahrungen umso wahrscheinlicher, je näher die Teile des einen
Bildes den entsprechenden Teilen des andern liegen, je weniger
wir also das eine über dem andern blos vernachlässigen wür¬
den. Gewinnt das Sehfeld des einen Auges über das des andern
den Sieg, so gewinnt es ihn, wie man weiss, immer in einiger
Ausdehnung. — Wir können aber dann zweitens auch das eine
Bild über dem andern blos einfach vernachlässigen, d. h. uns des¬
selben nicht bewusst werden. Dies scheint nach meinen Erfah¬
rungen besonders leicht zu geschehen, wenn beide Augen verschie¬
dene Schärfe besitzen. — Dazu kommt als drittes, dass ja die
Doppelbilder ihre Lage zu einander beständig ändern, und umso
rascher ändern, je leichter wir die successive binoculare Fixation,
auf der das Bewusstsein der Vertiefung beruht, vollziehen. Diese