304 Kap. Xm. Die umfassenderen seelischen Verhältnisse.
nehmung bedeutender Leistungen ein erhöhtes LebensgefUhl in
uns wecken, das dann sich zurückwendet und nun seinerseits
wiederum, sei es der Erfassung dessen, wodurch es geweckt wurde,
sei es neuen Gedanken oder Eindrücken der Art, unterstützend
und sie vor andern bevorzugend entgegenkommt. Das erhöhte
Lebensgefühl muss aber, wenn wirklich jenes Gesundheitsgefühl
den, einem besonders energischen und ungehemmten Ablauf des
körperlichen Lebens entstammenden Erregungen sein Dasein ver¬
dankt, gleichfalls auf solche Erregungen hinweisen.
Gleicherweise trifft es nicht nur zu, wenn Lotze, wie wir
oben sahen, der „graziösen und schwungkräftigen“ Art, wie das
körperliehe Leben abläuft, die Fähigkeit zuschreibt, Arten des
Kunstgenusses oder Handelns, die einen damit verwandten Cha¬
rakter haben, zu begünstigen, sondern es lassen auch wohl umge¬
kehrt Eindrücke und Erlebnisse besonders graziöser und schwung¬
kräftiger Art, es lässt schon der besonders elastische Schritteines
Menschen, noch mehr die graziöse Art seiner gesummten Be¬
wegungen, seine Art Schwierigkeiten des Gedankens spielend zu
überwinden, ein verwandtes allgemeines LebensgefUhl in uns an¬
klingen, umsomehr, je weniger unserer eigenen Natur, d. b. zunächst
unserem eigenen Körper dergleichen Arten des Lebensablaufes
fremd sind. Und dies Lebensgefühl bezw. die ihm zu Grunde
liegende allgemeine Resonanz jener Erlebnisse kann wiederum fol¬
genden ähnlichen Erlebnissen entgegenkommen, oder ähnliche
Rythmen unseres eigenen Denkens und Handelns begünstigen; sie
kann und muss sogar schon den Erlebnissen, die sie anklingen
Hessen oder verstärkten, wiederum zur Verstärkung dienen, also
ihre Eindrucksfäbigkeit und die Energie, mit der sie haften, ver¬
mehren. — Ich brauche nicht darauf aufmerksam zu machen, wie
oft Erlebnisse besonderer Art, nachdem sie selbst schon lange
verklungen sind, doch noch im allgemeinen Lebensgefühl nach¬
zittern und in einer ihrer Eigenart entsprechenden Weise wirk¬
sam sind.
Indem ich oben den Gemeinerregungen die unterstützenden
einzelnen Vorstellungen oder Erregungen entgegenstellte, wollte ich
sie doch nicht als etwas im Wesen davon Verschiedenes bezeichnen.
Zerfallen die allgemeinen Erregungen doch wiederum in einzelne
seelische Erregungen, so ist von einer solchen Wesensverschieden¬
heit von vornherein keine Rede. Es liegt aber sogar eben in der