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Universitäten, ein Theil der nothwendigen Vorbedingungen noch
fehlt. Diese Forderung ist die, dass kein Mediciner oder
Jurist, kein Theologe oder Pädagoge von der Universität
in den Beruf übertreten darf, ohne in gründlicher, von der Philo¬
sophie unabhängiger Prüfung seine Kenntniss der psychologischen
Erscheinungen erwiesen zu haben. Für den Mediciner müsste die
Prüfung, vielleicht an Stelle der Botanik, ins Physikum gelegt
werden, damit seine psychologischen Studien den nervenpatholo-
gischen und psychiatrischen vorangehen; beim Juristen müssten
die psychologischen Studien jedenfalls vor dem Studium des Straf¬
rechts, beim Lehrer vor dem Studium der Pädagogik absolvirt
werden. Die aufwachsende und die kranke, die schuldbeladene
und die trostsuchende Menschheit muss darunter leiden, wenn
Lehrer und Aerzte, Richter und Prediger nichts von dem see¬
lischen Leben wissen; sie stehen auf derselben wissenschaftlichen
Höhe wie der Kurpfuscher, der ein paar Heilmittel kennt, aber
niemals Anatomie gelernt hat. Das aber dürfte unsere metho¬
dologische Betrachtung genügend bewiesen haben, dass aus blosser
praktischer Menschenkenntniss oder gemüthvoller Selbsteinschau
dieses Wissen unmöglich geschöpft werden kann. Auch hier haben
die Götter vor die Tugend den Schweiss gesetzt.