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makroskopische Sektionsbefund pflegt für die Psychologie dabei
auszureichen oder richtiger, nur er ist bis vor kurzem hinlänglich
gewürdigt. Es gilt also festzustellen, welche Gehirntheile durch
Tumor oder Erweichung oder Abscess oder Atrophie oder Verletzung
gestört sind und neben den örtlich umschriebenen Affektionen muss
untersucht werden, welche secundären Wirkungen durch Druck
oder Entzündungen oder Circulationsstörungen hervorgerufen sind.
Ueberall wird dabei die Art der Zerstörung weniger wesentlich sein
als die genaue Lokalisation. Erst wenn diese Feststellungen auf
psychischer und physischer Seite vollendet, beginnt der strittigste
Theil der Arbeit, die Ausnutzung für die Psychologie, eine Arbeit,
deren methodische Principien durch Chakcot, Wernicke, Exnee,
Nothnagel, Westphal u. A. ausführlich discutirt worden sind
und zwar mit besonderer Rücksicht auf die Vorgänge der Gross¬
hirnrinde. Am nächsten liegt es natürlich, zusammenzustellen, in
welchen Fällen die Läsion einer bestimmten Rindenstelle nur mit
einer bestimmten Functionsstörung zusammentrifft; würden alle
Fälle dabei Uebereinstimmung zeigen, so wäre von einer Schwie¬
rigkeit nicht die Rede. Das trifft aber keinenfalls zu. Exner’s
reiche Zusammenstellung ergiebt beispielsweise, dass, wenn alle
Läsionen zusammengestellt werden, welche ohne taktile Störungen
auf psychischer Seite verliefen, damit fast die ganze Rinde bedeckt
ist, während jeder einzelne Fall taktiler Störung mit irgend einer
Läsion der Rinde verknüpft ist. Und Brown-Séquard stellte noch
neuerdings zahlreiche chirurgische Fälle zusammen, bei denen die
operative Beseitigung der erkrankten Hirnrindenstelle zu einer
Wiederkehr der verlorenen Function führte, so dass der zerstörte
Theil nicht als Centrum der Function gelten könnte, seine Wir¬
kung vielmehr nur eine hemmende wäre. Es würde zu weit führen,
hier auf die Einzelheiten einzugehen.
Methodologisch werden wir ganz allgemein Folgendes fordern.
Zunächst ist das Material mit grösster Vorsicht in Bezug auf
Krankengeschichte und Sektionsbericht zu verwerthen. Aus den
zuverlässig beobachteten Fällen sind dann, wie Nothnagel be¬
tont, diejenigen in erster Linie zu berücksichtigen, hei denen die
Affektion chronisch stabil bleibt, ganz beschränkt und isolirt ist
und die Heerderkrankung keine Allgemeinerscheinungen im Gefolge