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Schiff die erregbaren Stellen der Rinde gar nicht für Centren
hält, da nach ihm weder ein Centrum noch eine motorische
Bahn künstlich gereizt werden kann, vielmehr nur den natür¬
lichen Beiz weiter leitet. Die reizbaren Stellen wären somit
die centripetalen Bahnen des Tastsinns, dessen Centrum dem¬
nach tiefer liegt, nicht an der Binde1). Dass letzteres wohl
nicht haltbar ist, beweisen die Versuche von Exner und
Paneth, welche die Umschneidung und Unterschneidung der
elektrisch gereizten Stellen einführten2 *). Wenn ein Elektroden¬
reiz bei zirkulärer Umschneidung eines kleinen Bezirks die
Bewegung auslöst, bei ganz flacher Unterschneidung desselben
aber wirkungslos bleibt, so muss das bewegungsauslösende Ge¬
bilde doch die oberflächliche Ganglienschicht, nicht ein tiefer
unten hinziehendes Bündel weisser Leitungsfasern sein. Aber
auch gegen die experimentelle Basis der ScHiFF’schen Annahme,
dass die Tiere, welchen die excitable Zone exstirpiert, ihres
Tastgefühls verlustig gegangen, sind erhebliche Einwendungen
von Goltz, Bechterew5) u. a. begründet ausgesprochen.
Abstrahieren wir wieder von den physiologischen Bedenken
und halten uns an die psychophysische Deutung. Wie soll
gerade die Tastvorstellung, selbst wenn sie fälschlich identifi¬
ziert wird mit der gesamten peripher von Haut, Muskeln, Ge¬
lenken zusammen ausgelösten Bewegungsvorstellung, dazu kom¬
men, die Ursache aller willkürlichen Bewegung zu werden?
Wie soll das Fehlen der Tastvorstellung in der Extremität
bewirken, dass dieselbe wohl reflektorisch beim Gehen und
Klettern verwertet, dagegen bei keiner willkürlichen Bewegung
benutzt werden kann. Man hat ja freilich lange an dem schweren
*) Schiff: Über die Erregbarkeit des Rückenmarks, im Archiv f.
d. gesamte Physiologie. Bd. 30. — Schiff : Untersuchungen über d.
motor. Funktionen des Grosshirns, im Arch. f. exp. Pathologie. Bd. 3.
2) Paneth: Die absoluten motorischen Felder auf der Hirnoberfläche
des Hundes, im Arch. f. d. ges. Physiologie. Bd. 37.
*) Bechterew : Die Erscheinungen nach Zerstörung des motor. Rinden¬
feldes, im Arch. f. d. ges. Physiologie. Bd. 35.
Münsterberg, Die Willenshandlung.
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