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dass sie heute .die unbestrittene Grundlage der physiologischen
Psychologie geworden.
Eine solche anschauliche Hilfs vor Stellung, solche wider¬
spruchslose Verschmelzung der materiellen und der psychischen
Vorgänge besteht nun für die aktive Seite der körperlich¬
seelischen Erfahrungen nicht; eine einfache Parallelsetzung
zwischen Wille und Nerv-Muskelbewegung nützt da wenig ;
Unklarheit, Verwirrung und deshalb Willkür herrschen in
diesem Gebiet. Das ist ja klar: zu einer Verschmelzung der
physiologischen und psychologischen Daten, zu einer psycho¬
physischen Theorie darf es erst dann kommen, wenn beide
Disziplinen einzeln je ein zusammenhängendes widerspruchsloses
Resultat erreicht haben, und dieses gerade fehlt. Was der
Wille, das Begehren, oder gar die Innervationsgefühle eigent¬
lich sind, ist noch durchaus nicht von den Psychologen wirklich
klargestellt; viel schlimmer aber sieht es bei den Physiologen
aus. Zwar drängt sich hin und wieder das logische Postulat
hervor, dass jede Körperbewegung aus materiellen Bedingungen
erklärt werden müsse, aber die Ausführung im einzelnen setzt
sich über die allgemeine Forderung hinweg; wenn es wirklich
gilt, höhere Bewegungsformen etwa sittliche Handlungen zu
erklären, so wird ohne weiteres die Zuflucht zur immateriellen
Seele genommen: kurz, weder Physiologie noch Psychologie
haben in sich geschlossene Kausalreihen für die Willensvor¬
gänge fertig gestellt, kein Wunder, wenn da die Hypothesen
zur Verschmelzung der beiderseitigen Thatsachen meist das
eigenartige Bild zeigen, dass man, was nicht körperlich erklärt
werden kann, der Seele zumutet, und was die Seele nicht in
sich findet, der fertigen Körperanlage zuschiebt. Unsere Unter¬
suchung muss daher notwendig erst die physischen, dann die
psychischen Vorgänge absolut gesondert prüfen und darf erst
dann wagen, den Ausbau einer psychophysischen Hilfshypothese
zur Verschmelzung der beiden Kausalreihen zu versuchen.