Zwölfter Abschnitt. Die Grundwerte.
477
wahrhaft zu Überzeugungen vorgedrungen, vor dessen Seele steht
das eine unerschütterlich : unser Leben hat Sinn und Ziel. Wir sind
nicht machtlos eingeschaltet in ein blindes Zufallsspiel, das die Werte
der Erfahrung zerschneidet, sondern mit unserer ganzen Lebens¬
wirklichkeit gehören wir zu einer Welt, die sich zu Werten empor¬
ringt. Die starre Notwendigkeit, die uns zwingt, hat sich selbst
als Wert erwiesen, den unser Wille setzt in seinem reinen Wollen zum
Weltziel. Verscheucht ist die Angst vor der sinnleeren Überwirk¬
lichkeit, innerhalb derer unsere Welt der Erfahrung mit allem
Wahren und Schönen und Guten doch nur zweckloses Aufbauen
wäre. Im Jenseits des Ich wirkt ein Wollen zum Wert, das selbst
unser Werten trägt und in keiner Unendlichkeit sich selber preis¬
geben kann.
Und dieses Leben in der Welt der Werte ist eine frohe Bejahung.
Wenn alles Dasein Wille ist, so soll nach pessimistischem Vorurteil
das Leben fast unertragbar sein; jedes Wollen ist Unbefriedigung
mit dem Gegegebenen, und wenn das Wollen erreicht ist, erstirbt
jedes Lebensgefühl; so wäre die Welt ein Pendeln zwischen Schmerz
und Langerweile. Wir wissen nun längst das Gegenteil. Gerade
weil die Welt und das Leben unendlicher Wille sind, ist das wahre
Leben erfüllt vom höchstmöglichen Maß der reinen Befriedigung.
Wir sahen ja, das Wollen selbst ist nicht Schmerz; nur die Verwirk¬
lichung des Ungewollten bringt Unbefriedigung. Das stete Wollen
ist also an sich durchaus kein Leiden ; im Gegenteil, es ist die not¬
wendige Bedingung für die Freude, die aus der Erfüllung quillt.
Die Erfüllung selbst aber hebt das Wollen nicht auf, beraubt uns
somit nicht der Möglichkeit neuer Befriedigung. Denn das betonten
wir immer aufs neue, daß Erfüllung und Verwirklichung nichts
anderes meint und meinen kann als Überführung zu neuem Willens¬
ansatz. Da die Welt nichts als Wille ist, will der Wille immer nur
neues Wollen, und jede Verwirklichung ist Erfüllung, gerade weil sie
neues Wollen hervortreibt. Wer den Wert setzt, trägt in sich eine
Freude, die sich notwendig in jedem Pulsschlag des Lebens erneuert,
und das Wollen selbst wird so zur unendlichen Quelle der Befriedi¬
gung. Kein Leid und keine Enttäuschung kann diesen ewigen
Quell verschütten. Nur dann versiegt er, wenn der Wert grund¬
sätzlich verneint wird, die Einheit mit dem Über-Ich verleugnet
wird, der weltfreudige Sinn des Lebens so durch eigenes Wollen ver-