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Zweiter Teil. Die Welt der Werte.
Unterlaß zeigt uns das Leben, wie die Werte gegeneinander an¬
prallen. Es ist die scharfe Gegensätzlichkeit der reinen Werte, die
uns weiterdrängt zu neuem Verlangen und zu neuer Tat. Die Welt
des Wirklichen verneint zu oft die Ansprüche der Sittlichkeit und
das Verlangen nach harmonischer Einheit; die Welt der Schönheit
mag den Fortschritt hindern und den Zusammenhang der Dinge
verleugnen; die Welt der wertvollen Betätigung mag das Glück zer¬
stören und der Erkenntnis entgegen arbeiten. Unser ganzes Sein ist
erfüllt von der Spannung dieser Gegenkräfte.
Dabei haben wdr kein Recht, die eine Weltausgestaltung
unserer Erlebnisse grundsätzlich den anderen überzuordnen ; durch¬
aus gleichberechtigt entwickelt sich jede aus dem gleichen Urstoff
des noch wertfreien Erlebens. Gewiß sind wir im täglichen Denken
geneigt, die logische Wertgruppe den anderen voran zu stellen und
so die Welt, welche Dasein und Zusammenhang aufweist, für die
eigentliche Welt zu halten. Die Welten des Glücks und der Sittlich¬
keit verblassen dann ; sie werden zu scheinhafter Einbildung gegen¬
über der Welt der Wirklichkeit oder werden Nebenbestimmungen
der einen allein bestehenden Welt. Wir wissen längst, daß solche
Bevorzugung unzulässig ist. Wir wissen, daß die Welt als wirklich
anzuerkennen nichts anderes bedeutet, als daß die Erlebnisse in
Rücksicht auf gewisse Beziehungen bewertet werden; das Dasein
der Welt, ihre Wirklichkeit und ihr Zusammenhang gilt uns als eine
bestimmte Bewertung der freischwebenden Erlebnisse. Wenn wir
statt dessen andere Beziehungen berücksichtigen und somit andere
Werte aus dem Lebensinhalt herausgewinnen, so erheben sie sich
mit genau gleichem Anrecht. Die Welt, die Dasein hat, weil sie sich
selbst erhält, ist nicht wichtiger und nicht unmittelbarer und nicht
gewisser als die Welt, die harmonisch ist, weil sie sich selbst erfüllt,
oder die Welt, die würdig ist, weil sie sich selbst betätigt. Es sind
schlechthin gleichwertige notwendige Gebilde, gleichermaßen von
der überpersönlichen Bewußtseinsform des Wertes zusammen¬
gehalten.
Die Vereinigung der Werte. Je sicherer die Gleichwertigkeit der
verschiedenen Welten feststeht, desto deutlicher wird es, daß der
Konflikt sich nicht aus ihrem eigenen Wesen heraus beseitigen läßt.
Jeder Ausgleich bleibt da nicht nur äußerlich, sondern hebt den
Sinn auf. Wenn etwa die Wissenschaft vergangener Tage Schön-