394
Zweiter Teil. Die Welt der Werte.
Die Übereinstimmung zwischen dem Sittlichkeitswert der
Persönlichkeit und dem Rechts wert der Gesellschaft ist nunmehr
klar übersehbar. Beide haben nur den einen Sinn, die Selbsttreue
zu fordern und dadurch den erreichten Entwicklungswert zu sichern.
Die wechselseitigen Wollungen der Gesellschaftsglieder entwickeln
sich außerrechtlich, so wie die Wollungen der Persönlichkeit sich
außersittlich entfalten. Ob Gesellschaft und Persönlichkeit sich
wirklich entwickelten, hängt davon ab, ob sie mehr und mehr ihrer
notwendig mitgedachten Aufgabe gerecht wurden. Dieses gewach¬
sene Wollen auf jeder Entwicklungsstufe gegen ein Herabsinken zu
schützen, und in seiner Werthöhe zu sichern, vermag nur der Zwang,
den für die Gesellschaft das Recht, für die Persönlichkeit das sitt¬
liche Gewissen einführt. Recht und Gewissen verlangen, daß Gesell¬
schaft und Persönlichkeit wirklich die Handlungen ausführen, die
sie tatsächlich wollen. Der Rechts wert wird daher nur durch die
Rechtslosigkeit aufgehoben, in der das gewollte Gesellschaftsver¬
halten nicht mehr zur Tat wird, und der Sittlichkeitswert wird nur
durch die Selbstuntreue aufgehoben, durch die eine gewollte Hand¬
lung unausgeführt bleibt oder die nicht gewollte Handlung voll¬
zogen wird. Was durch Recht und Gewissen geschützt und gefestigt
wird, muß wechseln und mag vergehen; ewig wertvoll bleibt nur,
daß das Gewollte in Mitwelt und Innenwelt sicher geschützt wird.
Nur durch das Recht betätigt die Gesellschaft, und nur durch die
Sittlichkeit betätigt die Persönlichkeit ihr eigenes Wollen in ihrem
Handeln. Sich selbst zu betätigen, in Freiheit sich selber treu zu
bleiben, und so Wollen und Handeln identisch zu setzen, bedeutet
aber für Gesellschaft und Persönlichkeit, daß in ihnen sich eine
selbständige Wirklichkeit entfaltet, daß sie nicht nur Erlebnis,
sondern Werte sind.