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Zweiter Teil. Die Welt der Werte.
bekunde ich erst, daß ich auch das mir zunächst gleichgültige
und mir fremde Menschenleben als solches würdige, und durch
solche Stellungnahme wird die Gemeinschaft zum Wert erhoben.
Ist der Gefährdete dagegen ein Freund, den ich um seiner selbst
willen rette, so ist natürlich von dieser schlechthin gültigen Be¬
wertung bei meiner Tat keine Rede. Jetzt will ich den Freund
und es ist gleichgültig, wer und was ihn rettet ; kann ich selbst die
rettende Tat vollbringen, so bleibt sie doch nur Mittel zum Zweck;
die Handlung wird gewollt, weil ich für mich die Freude will, den
Freund gerettet zu wissen. Will ich den Unbekannten retten, weil
ich das gerettete Menschenleben bewerte, so ist der Mensch mir
gleichgültig, meine Handlung aber ist mir wichtig, denn nur durch
die Handlung gestalte ich den Wert; will ich den Freund retten, so
ist meine Handlung mir gleichgültig, und nur das Ergebnis, der
gerettete Freund, ist mir wichtig.
Habe ich also die Entwicklungshöhe erreicht, auf der ich Wert¬
volles bevorzuge, so muß ich in immer neuen Lebenslagen mein
eigenes Handeln als entscheidenden Teil bei der Verwirklichung des
Wertes wollen. An sich ist es bedeutungslos. Aber ebenso be¬
deutungslos ist das äußere Handlungsergebnis. Wertvoll ist
nur das Gesamt Verhältnis, in das die Handlung sowohl wie das
Ergebnis, das Retten und der Gerettete, als Teile eintreten. Genau
die gleiche Lage ist etwa beim Nichtlügen oder Niehtstehlen ge¬
geben. Bewerte ich die Wahrheit, so weiß ich, daß mein wahr¬
heitgemäßes Sprechen die Worte überhaupt erst zum Wert erhebt.
Erst durch mein Bekunden erfolgt jene lebendige Bejahung der
verbundenen Gedanken, durch die das Gesprochene den Anspruch
gewinnt, als schlechthin gültig anerkannt zu werden. Hie Wirklich¬
keit und der Zusammenhang, für den ich Zeuge bin, wird durch
meine Bekräftigung so erst zum Wert gestaltet und ich kann solche
Wahrheit nicht bewerten, ohne nicht mein Wahr sprechen und somit
mich als Wahrsprechenden zu wollen. In gleicher Weise schließlich
will ich mein Niehtstehlen. Erst durch meine Handlung vollende
ich die wirkliche Gestaltung des schlechthin anzuerkennenden
rechtlichen Eigentumswertes. Durch den Diebstahl hebe ich tat¬
sächlich die Bewertung selbst auf. Das gestohlene Ding wird ja
nicht verändert, aber sein Sinn als ein Besitzstück, das anerkannt
sein will durch den Nachbar, wird durch meine Handlung verneint.