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Zweiter Teil. Die Welt der Werte.
ja, daß jeder Vorgang der Aufmerksamkeit diese doppelte Wesen¬
heit zeigt : auf der einen Seite wird das aufmerksam Erfaßte leben¬
diger, klarer, lebhafter, willenserfüllter, auf der anderen Seite wird
alles Gegenstehende verschwommen, unlebendig, gehemmt. Gegen¬
stehend ist aber alles, das zu entgegengesetzten Wollungen führt.
Jeder einzige Akt der Aufmerksamkeit hat somit schon in sich die
Kraft, das Wollen auszugleichen und zu vereinheitlichen, im letzten
Grunde somit dem Glücke den Weg zu bahnen. Gerade durch diese
auslöschende hemmende Kraft führt uns zum Glücke am schnellsten
doch schließlich die reine Kunst. Die Einheit der Innenwelt ist
uns dort gewiß, denn mit dem Rahmen des Bildes, mit dem letzten
Reim des Gedichtes, mit der Kulisse des Theaters schließt sich die
Welt, in der wir während des Kunstgenusses leben, und jede andere
Wollung ist gehemmt.
Die Stärke, die Mannigfaltigkeit, die Tragweite und die Bedeu¬
tung des Wollens wird dem Einheitswert des Glücks seine besondere
ästhetische Stellung geben. So wie die Sinfonie höher steht als das
Liedchen, so wird die Sinfonie eines kraftbewegten, Schaffens-
reichen, erlebnisvollen, weithinwirkenden Menschenlebens ästhe¬
tisch höher stehen als das Glück im Winkel und als die Freude der
Genügsamkeit. Der Wert selbst ist aber auch in der schlichtesten
Form vollendet. Daß hundert mal hundert zehntausend gibt, ist
nicht wahrer und hat keinen größeren logischen Wert als daß drei¬
mal drei neun ist. Die Innenwelt, deren Wollen beim Erlebnis der
Außenwelt und Mitwelt durchaus in Einheit mit sich selber bleibt,
ist schlechthin wertvoll; allen Bedingungen, die wir für den Ein¬
heitswert verlangten, sind erfüllt. Dadurch ist aber endlich der
ewige Selbstwert des Glückes zu seinem Recht gebracht.
Die idealistische Weltanschauung mag in der Tat allen Grund
haben, die Aufgaben unseres Handelns von aller Rücksicht auf das
Glück zu trennen; sie mag den Sinn der Pflicht und des Guten so
streng fassen, daß die sittliche Wertlosigkeit des Glücks völlig klar
wird. Deshalb dem Glück aber jeden reinen Wert abzusprechen
und es aus der Höhengemeinschaft mit dem Wahren und Schönen
und Guten grundsätzlich zu verbannen, geht nicht an. Wer im
Glücke nichts als persönliche Lust sieht, der kann freilich kein
Zugeständnis machen. Das aber ist nur der Groll der Bilderstür¬
mer, die alles Glück aus der reinen Wertwelt ausweisen wollen,