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torisch ausgelöste Streckbewegungen entstellt, ist selbst das,
was wir Lust nennen; als Objekt ist jener Bewusstseins¬
inhalt emotionell indifferent, als bestimmendes Mass
anderer Objekte ist er Gefühlston.
Und das führt auf ein drittes, das ich berühren muss,
weil hier die meisten Argumente wurzeln, mit denen man
meine Anschauungen über psychisches Leben zu widerlegen
glaubte. Ich habe so wie hier für die Gefühle, so früher für
Willenshandlung, Raum- und Zeitanschauung u. s. w. den¬
jenigen Empfindungen eine centrale Bedeutung einzuräumen
versucht, welche bei der Thätigkeit unserer Muskeln, sei es
Bewegungs-, sei es Spannungsthätigkeit entstehen. Die einen
haben darauf erwidert, dass solche Empfindungen wohl vor¬
handen sind, dass sie möglicherweise auch die einzigen Inhalte
sind, durch welche Wille, Raumanschauung u. s. w. im Be¬
wusstsein vertreten sind, dass sie aber deshalb doch unmög¬
lich das Wesen des Willens, der Raumanschauung u. s. w.
ausmachen können. Zweifellos wäre der Gefühlstheorie das¬
selbe entgegenzuhalten. Die psychologische Fragestellung
wird hier offenbar mit der metaphysischen verwechselt; die
Psychologie hat in der That nur nach den Bewusstseins¬
inhalten zu fragen, und nicht, durch Nachwirkungen naiver
Vermögenstheorien beeinflusst, das Wesen psychischer Vor¬
gänge ausserhalb der empirisch gegebenen Bewusstseins¬
erscheinungen zu suchen. Wichtiger ist uns hier aber der
andere entgegengesetzte Einwand. Immer wieder wurde mir
entgegengehalten, die beschriebenen Bewusstseinsinhalte, die
Muskelempfindungen, existierten überhaupt nicht, da wir Raum¬
und Zeitgrössen auffassen, Intensitätsdistanzen vergleichen,
Handlungen ausführen, Gefühle erleben können, ohne von
unseren Muskeln etwas zu wissen, und ein Bewusstseinsinhalt,
von dem wir nichts wissen, sei ein Widerspruch in sich.
Ich betone dem gegenüber nun ausdrücklich, dass selbst¬
verständlich in allen diesen Fällen unter Muskelempfindung
nicht die Empfindung, oder richtiger die Vorstellung eines