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gelenkt ist; geschieht dieses nicht, d. h. wissen wir nicht, dass
wir den Zeitraum als solchen beachten sollen, so dass sich in
Ermangelung äusserer Reize beliebige Associationen in den
Zwischenraum einschieben und diesen so an Stelle der perio¬
dischen Empfindungen ausfüllen, so fehlt uns fast jegliches
direkte Zeitgefühl.
Aus alledem muss sich aber eine weitere Folgerung er¬
geben. Wenn unser Bewusstsein den Zeitwert der Intervalle
dadurch auffasst, dass es die Aufmerksamkeit neben den ob¬
jektiven Eindrücken auch den aus periodischen peripheren
Spannungen und Bewegungen stammenden Sensationen zu¬
wendet, so ist es wohl begreiflich, dass wir trotz der ver¬
schiedensten Ausfüllung ein nicht unbeträchtliches Schätzungs¬
vermögen besitzen; es wäre aber unbegreiflich, wenn die
äusseren Reize überhaupt ohne jeden Einfluss wären. Je leb¬
hafter die äusseren Reize unsere Aufmerksamkeit fesseln, desto
weniger muss das Bewusstsein den subjektiven Sensationen
zugewandt sein, desto kleiner muss die Zeit erscheinen; über¬
dies wird, wenn die Reizreihe geeignet ist, periodische An¬
spannungen der Aufmerksamkeit hervorzurufen, das motorische
Element der Aufmerksamkeit selbst zum Hauptfaktor der sub¬
jektiven körperlichen Vorgänge werden, die Reizreihe somit
beschleunigend oder verlangsamend einwirken. Dass unser
Zeitbewusstsein nun in der That von den ausfüllenden Reizen
nicht unabhängig ist, beweisen unsere Versuche aufs mannig¬
faltigste. Ueber die Deutung derselben im einzelnen könnte
man streiten; mir erscheinen sämtliche Ergebnisse, wie sie
die Tabelle oben zusammenstellt, unter einem einzigen Ge¬
sichtspunkt zusammenfassbar: diejenigen Intervalle erscheinen
als die kürzeren, deren ausfüllender Reizinhalt unser Bewusst¬
sein in höherem Masse in Anspruch nimmt. Der Gegensatz
gegen die Raumschätzung tritt dabei deutlich hervor.
Für einige Versuchsgruppen ist diese Deutung von vorn¬
herein die nächstliegende; ich glaube aber, sie gilt für alle.
Wenn die Intervalle, die mit Gedichtstrophen ausgefüllt sind,