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der Rinde associative Ergänzungen und Hemmungen in un¬
endlicher Mannigfaltigkeit sich gleichzeitig abspielen, und
längst der neue Prozess von dem früheren physiologisch aus¬
gelöst wird, ehe das Resultat des ersteren bewusst apper-
cipiert wird.
Die psychophysischen Akte schieben sich ineinander und
decken sich zeitlich, wie es nicht anders denkbar ist, wenn
man im geistigen Leben ein unendliches Gefüge associativer
Erregungen sieht, während das unmöglich ist, wenn man in
ihm glaubt die Leistungen einer einzigen Apperception er¬
blicken zu müssen. Wo bliebe der Reichtum unseres seelischen
Lebens, wo bliebe die Versabilität in unserem Reden und
Schreiben, Bewegen und Schaffen, wenn wirklich der Reiz,
auf den mit urteilsgemässer Thätigkeit reagiert wird, stets
vorher ins Bewusstsein dringen muss; wir können die Antwort
innervieren, noch ehe wir die Frage uns psychisch ganz an¬
geeignet, wir können einen Gedanken aussprechen, noch ehe
er in unser Bewusstsein gedrungen, wir können die Erregungen
unseres Inneren niederschreiben, ohne sie früher als das Schrift¬
bild wahrzunehmen, wir können immer neue Vorstellungen,
immer neue Urteile, immer neue Gedanken erzeugen, ohne
jedesmal abzuwarten, dass die Vorgänger sich dem Bewusstsein
gemeldet haben. Auf hunderttausend zuführenden Wegen bringt
jeder Moment uns Reize zum Centrälapparat, auf Millionen
Leitungsbahnen lösen sie Erregungen aus, ergänzen sich,
hemmen sich, schaffen und wirken und lassen auf ungezählten
Wegen ihre Bewegungsimpulse zu den Muskeln gehen, um
in den Spannungen unserer Sinnesorgane, in den Leistungen
unseres Sprachapparates, in den Arbeiten unserer Glieder
unbegrenzte Wirkung auf die Aussenwelt und rückwirkend
auf uns selber auszuüben. Müsste unser Bewusstsein dem
allem zuschauen, so würden in der unendlichen Fülle die festen
Anhaltepunkte ihm fehlen, während in Wahrheit es nur jene
Hauptvorgänge Zusehen bekommt; müsste unser Bewusst-
seinaber gar, wie die Apperceptionstheorie es fordert,