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3. Anpassung1 der Organe.
A. Anpassung an konstante Bedingungen.
Es ist schwierig, den Begriff des Organs in seiner Stellung
zwischen Gewebe und Organapparat scharf abzugrenzen und noch
schwieriger, die Definition bei der praktischen Anwendung streng
durchzuführen. So war es kaum zu vermeiden, daß bei der Ge-
websanpassung Vorgänge herbeigezogen wurden, welche eine Mehr¬
heit von Geweben berührten, wie z. B. die Bindegewebswucherungen
noch Gefäße enthalten. Das ist um so natürlicher, als in allen
Organen eine einzige Gewebsform die Hauptfunktion des betreffen¬
den Organs bestimmt und daher über wiegt, während die andern
nur zu Neben- oder Hilfsfunktionen in Beziehung stehn.*) Anderer¬
seits ist nicht minder die Unterscheidung von Organ und Apparat
besonders bei weniger komplizierten Tieren und Pflanzen häufig
auf V illkür angewiesen; erst bei den höher differenzierten wird die
Scheidung klarer.
Da wir aber die Grenzlinien überhaupt als künstliche erkannten,
so würde ein etwaiger Übergriff die Richtigkeit der Darstellung
kaum beinträchtigen, manche Wiederholung dagegen ersparen.
Dies gilt für die Organe ganz besonders, weil in ihnen die gewöhn¬
liche Betrachtung der Körperelemente die organischen Einheiten
/MT oyj)v zu sehen gewohnt ist, aus deren Zerlegung die Gewebe
und Zellen, aus deren Zusammensetzung die Organsysteme und
Organismen zu erhalten sind; durch diese übliche centrale Stellung
muß das Organ hei der Betrachtung ein Übergewicht erlangen, so
daß wir oft von einem Anpassungszustand der Organe sprechen,
wo mit demselben Recht ein einzelnes Gewebe als adaptiert hätte
berücksichtigt werden können oder wo mit dem Organ die kompli¬
ziertere Funktion des Systems verändert wurde.
Wieder wird sich, ehe wir den Anpassungszustand diskutieren,
die Frage erheben, ob irgendwelche Thatsachen direkten Adaptions¬
prozesses unserer Beobachtung zugänglich sind.
a. Prozeß der Organanpassung an konstante Bedingung.
Da auch hier an der Spitze der Untersuchung zwingender
Weise die Überzeugung stehen muß, daß die Anpassung als solche
1) Wundt, Physiologie. S. 23.