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Frankreichs, Lamettrie, Diderot und Holbach. Während selbst
Voltaire die Welt aus Gründen weiser Zweckmäßigkeit geschaffen
glaubte, hatte der Verfasser von L’homme machine durchaus nicht
die Maschinen als Verwirklichung eines vorher ersonnenen Problems
im Auge, sondern nur die Notwendigkeit, mit welcher die Teile der
Maschine die Art ihrer Wirkung bestimmten, sollte das Gemeinsame
der Vergleichung bilden. Dennoch kann trotz der zahlreichen Stellen
in Holbachs Système de la nature und Diderots: Interprétation de
la nature, welche die Transmutationslehre andeutend aussprechen1),
von einem Hinweis auf natürliche Anpassung dort keine Hede sein.
Selbst wenn Lamettrie von dem Einfluß des Klimas und der Nah¬
rung spricht2), aus denen er die verschiedenen Grade der Wildheit
und der Kraft von Menschen und Tieren herleitet, so hat er damit
doch nur individuelle Wirkung im Sinn und nicht durch Vererbung
akkumulierte genetische. Auch die Unterschiede zwischen Mensch
und Affe sucht er auf möglichst geringes Maß zurückzuführen* 8),
sie zu erklären sucht er aber nicht. So beschränkt sich denn, vom
Standpunkt der Anpassungslehre aus betrachtet, das Verdienst dieser
Männer hauptsächlich darauf, durch das strenge philosophische
Postulat der Möglichkeit von Abänderungen im Tier- und Pflanzen¬
reich, vor allem aber der kausalen Erklärbarkeit der organischen
Welt, die Bedingungen geschaffen zu haben für die in erster Linie
empirische Wirksamkeit der eigentlichen Vorgänger Darwins, Geoffroy
und Lamarck. — Ehe wir aber diesen uns zuwenden, müssen wir
den Weg verfolgen, den die deutsche Naturphilosophie inzwischen
eingeschlagen hatte.
Die Naturphilosophie in Deutschland ist durchaus anti-
materialistisch. Die erste Schrift aus der Eeihe der für die Ent¬
wickelung der Anpassungslehre interessanten Werke hat sogar den
bei weitem entschiedensten Gegner des Materialismus zum Verfasser,
den bekannten Rationalisten Reimarus. Die ,.Allgemeinen Betrach¬
tungen über die Triebe der Tiere, hauptsächlich ihre Kunsttriebe“
von H. S. Reimarus dienen in erster Linie allerdings theologischen
Zwecken, trotzdem ist die Zusammenstellung der für gewisse Lebens¬
bedingungen der Tiere angepaßten Körpereinrichtungen und zweck¬
mäßigen Triebe so vollzählig und übersichtlich, daß — von der
deistischen Erklärungsweise abgesehen — die feste Beziehung zwischen
v) Diderot, Oeuvres complètes. Paris 1875, Bd. II, S. 15 f., S. 49 u. a.
2) L’homme machine. Leyde 1748. S. 14. S. 20.
8) L’homme machine. S. 30 f. S. 52.