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so finden wir bei fallender Temperatur ein zu langes Verbleiben
der Embryonen im Ei (und Mutterleib), bei steigender ein vor¬
zeitiges Verlassen („Pözilogonie“ — Giard). Die lange ge¬
tragenen Embryonen oder in der Kälte langsam entwickelten
Eier erreichen die Ausschliipfschwelle später, die in der Wärme
entstehenden Frühgeburten und rasch entwickelten Eier aber die
Ausbildungsschwelle. Die Metamorphose, welche bei Insekten kurz
vor der Geschlechtsreife eintritt, kann bei steigender Temperatur
soweit vor der Geschlechtsreife eintreten, daß keine ordentlichen
Keimprodukte mehr gebildet werden können. Dasselbe Diagramm
kann übrigens für den Einfluß der Autotomie der großen Schere
bei heterochelen Krebsen auf die Ausbildung der einen oder anderen
Seite zur Knackschere verwendet werden. Es kommt darauf an,
ob Wachstum oder Regeneration der Scheren früher eine be¬
stimmte Schwelle erreichen, die für das Voraneilen im Knack¬
typus maßgebend ist. Gleichzeitiges Erreichen ‘kann sogar zu
beiderseitiger Knackschere führen. Ferner ist auch dasselbe Dia¬
gramm für die Erläuterung der Intersexe an Stelle der zuerst von
Goldschmidt zur Wahl gestellten beiden Diagramme (Z. ind.
Aistl. 31, 100, 1923, S. 125) verwertbar. Es ist von demselben
später (G. und Minami 1927 Stud. Mend.) gebraucht worden, um
eine geschlechtsgebundene von einem Außenfaktor beeinflußte
phänotypische Färbung darzustellen. Bei gleichzeitiger Erbanlage für
beide Geschlechter käme es darauf an, ob die Sch-wellen während
der Ausbildung der Geschlechtscharaktere alle gleichzeitig für
dasselbe Geschlecht erreicht werden oder nicht. Durch Temperatur
lassen sich auch hier weitere Verschiebungen vornehmen.
Solche „morphodynamische“ (Paul Weiß, vgl. auch Brandt
1928, 54) [XV, 8] Betrachtungen erlauben es, jenes anscheinende
Paradoxon aufzuklären, daß bei ähnlichem Furchungstypus der Re¬
gulationstypus bei verschiedenen Tiereiern normalerweise verschieden*
ist, indem das einemal aus jedem Eibruchstücke verkleinerte, ganze
Embryonen, das anderemal Bruchstücke von Formen entstehen.
Nehmen wir unsere beiden Sätze der Unabhängigkeit der einzelnen
Prozesse, also hier der Furchung und Organdeterminierung sowie
der zunehmenden Potenzverarmung zu Hilfe, so ergibt sich folgendes
Bild: Wird die Furchung beschleunigt, die Organbildung aber
nicht, so werden noch auf weitvorgeschrittenen Furchungsstadien
die Blastomeren totipotent sein, und aus ihnen bei entsprechender
Teilung ganze verkleinerte Embryonen hervorgehen. Ist umgekehrt
Przibram, Experimentalzoologie. 6. Zoonomie. 13