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sächlich eine Zeitstrecke an einer anderen. Und derselbe
Weg führt uns zum Messen der Masse; auch hier ist der
objektive, den Wert ins Räumliche übertragende Massstab
nur die nachträgliche Ergänzung zu dem primären Gewichts¬
masse der subjektiven Vergleichung. Wenn wir zwei Ge¬
wichte nacheinander heben und einen deutlichen Gewichts¬
unterschied wahrnehmen, so würden wir die Wagschale für
unzuverlässig erklären, welche für beide gleiches Gewicht
angibt.
Dass wir Raumgrössen untereinander, Zeitstrecken unter¬
einander und Gewichte untereinander in unmittelbarer sub¬
jektiver Schätzung vergleichen können, das ist die Grundlage
unserer gesamten physikalischen Massmethoden; ohne diese
subjektive Fähigkeit wären alle objektiven Mass-
instrumente für uns so sinnlos, wie ein Mikroskop
wertlos wäre ohne Auge. Weit entfernt also, die drei
Schätzungen auf eine reduzieren zu dürfen, müssen wir viel¬
mehr diese Dreiheit als eine durchaus ursprüngliche aner¬
kennen und müssen uns vergegenwärtigen, worin nun eigent¬
lich in diesen drei Fällen das Messen besteht.
Vir haben schon gesehen, dass es sich stets darum
handelt, die zweite Wahrnehmung mit der reproduzierten
Vorstellung der ersten Wahrnehmung zu vergleichen, aber
wie dabei das eigentliche Messen zu stände kommt, ist damit
natürlich noch nicht gesagt. Die übliche Auffassung, die
auch v. Kries wiederholt, ist die, dass alle Messung auf der
Gleichsetzung des Nichtidentischen beruhe. Ich kann den
Ausdruck und die zu Grunde liegende Vorstellung nicht gut¬
heissen; ich glaube vielmehr, dass es sich da um eine Auf¬
fassung handelt, die der Schulsprache einer abstrakten Logik
entnommen ist, die aber durchaus keinen wirklichen psycho¬
logischen Vorgang bezeichnet. Wollen wir nicht ganz in die
Metaphysik geraten, so können wir uns darunter, dass unser
Bewusstsein zwei nicht identische Bewusstseinsobjekte „gleich-
setzt‘‘, in keiner Weise einen bestimmten psychologischen