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Im allgemeinen werden die Klavierspieler sagen: wozu aber
soll ich, wenn ich Klavier spiele, die Rücken- und Oberarm¬
muskeln gebrauchen? Erstens geht dies aus dem Deppe’schen
Prinzip der federleichten Hand hervor, da man nur dadurch die
Pfand leicht machen kann, dass man sie trägt, und zweitens ist
der Grund massgebend, dass durch diese Art des Spieles weniger
Kraft, und die Kraft harmonischer gebraucht wird. Spencer
sagt: „die anmutige Art, eine Bewegung auszuführen, ist die¬
jenige, die am wenigsten Anstrengung kostet — die wirklich
„anmutigen Bewegungen sind die, welche durch verhältnismässig
„wenig Kraftanstrengung ausgeführt werden* *).“
Sehen wir zu, warum dies der Fall ist. Wenn Dubois-
Reymond schreibt: „dass ein Liszt, ein Rubinstein nicht ohne
„eiserne Armmuskulatur denkbar sind, und die Führung von
„Joachims Bogen, während einer Symphonie, vielen Kilogramm-
Knetern entspricht**)“, so meint er damit, dass im Spiel der
Künstler ein grosser Kraftaufwand liegt, und da die Hand
selbst doch nur eine sehr kleine Muskelkraft in sich trägt, ist
es einleuchtend, dass man andauernder und mehr Kraft aus¬
üben kann, wenn man mehrere Muskeln zu Hilfe nimmt.
Der Ton, der auf dieser Grundlage gebildet wird, ist immer
absolut schön und edel, er besitzt einen eigentümlichen Zauber
— nie wird das Ohr durch Schärfe verletzt, der zarteste so¬
wohl, wie auch der grösste auf diese Weise gebildete Ton, ist
einheitlich schön, und durch seine Intensivität tragfähiger wie
jeder andere. Wir werden später sehen, dass dies harmonische
Ineinanderarbeiten der Muskulatur des Oberkörpers, sowie es
ist, genau darauf zu achten, dass der Winkel zwischen Ober- und Unterarm
unverändert bleibt (beim Ueben am Klavier ändert sich, da die Klaviatur
eine gerade Linie bildet, selbstverständlich dieser Winkel). Man übt dies
am besten mit Hilfe des Spiegels, indem man sich seitwärts beobachtet. Die
Bewegung ist nicht besonders anstrengend. Es versteht sich, dass dieser
Gebrauch der Rücken- und Oberarmmuskeln sich leichter durch praktischen
Unterricht in einigen Stunden erlernen lässt.
*) Herbert Spencer — Scientific, political and speculative Essays.
Page 384.
**) lieber die Uebung, Seite 24.