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DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.
§• 27.
müssen hier aus denselben Gründen, wie bei den Fehlerausgleichungen nach der
Methode der kleinsten Quadrate genommen werden.
Das Resultat der analytischen Behandlung dieses Problems, welche unten
gegeben ist, ist folgendes: Damit die Summe der Fehler am kleinsten werde
muss die atrope Linie für jede Form des Feldes mit der Blieklinie zusammen¬
fallen; die Vertheilung der Raddrehungen aber hängt im Allgemeinen von der
Form des Feldes ab. In einem kreisförmigen Blickfelde würde das Listing’-
sche Gesetz den Bedingungen der Aufgabe am vollkommensten entsprechen,
und zwar mit der Primärstellung im Centrum des kreisförmigen Feldes. In
nicht genau, aber annähernd kreisförmigen Feldern würden gegen den Rand'
hin sich Abweichungen vom LisTiNG’schen Gesetze zeigen müssen, deren Grösse
aber durch den Umstand noch verringert werden kann, dass solche peripherische
Stellen vom Blicke seltener durchlaufen werden, und wir, wie es scheint, auch
diejenigen Bewegungsrichtungen des Auges zu vermeiden suchen, die dem
Rande des Blickfelds parallel gehen und Scheinbewegungen der Objecte hervor-
Bringen würden. *
Es zeigt sich also hierbei, dass das LiSTmo’sche Gesetz der Augenbe¬
wegungen das vorteilhafteste für die Orientirung ist, zunächst für ein einzelnes
Auge und für ein kreisförmiges Blickfeld.
Nun sehen wir aber mit zwei Augen, welche bald parallel, bald conver-
girend gestellt werden. Das Princip der leichtesten Orientirung für Ruhe¬
stellungen fordert nur, dass die Raddrehungen der Augen dieselben seien,
sobald dieselben Stellungen beider Augèn wieder eintreten, und in der That
finden wir kleine Abweichungen der Raddrehung bei Convergenzstellungen von
denen bei Parallelstellungen. Es werden aber beim normalen Sehen Parallel¬
stellungen in der Regel nur in denjenigen Theilen des Gesichtsfeldes Vor¬
kommen, welche sehr weit entfernte Objecte darzubieten pflegen; das sind die
oberen Theile des Feldes.
Im unteren Theile des Blickfeldes finden sich fast ausschliesslich nahe
Gegenstände vor; der entfernteste von ihnen ist der Fussboden. Das gemein¬
same Blickfeld meiner beiden Augen bei
paralleler Stellung habe ich in Fig. 161
gezeichnet, a ist die Primärstellung des
fernsehenden Auges, die Länge des Pfeils,
oc bezeichnet die entsprechende Ent¬
fernung des Auges von der Tafel, auf
die das Blickfeld projicirt ist; die Augen
befinden sich dabei in Richtung des in a
errichteten Lothes. Nach unten hin ist das
Sehfeld jedes Auges auf der innern Seite
eingeengt durch die hervortretende Nase,
bb der Figur; was vom Nasenrücken noch
fixirt werden kann, ist durch Schattirung
angedeutet. Dieser. untere Theil, welcher
von den Doppelbildern der Nase theilweis