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Phonetik.
Vocale oder Klangfarben mit den höchsten Tönen herausbringen.
Auf tiefere Nebentöne geht man bei diesen Versuchen nicht
zurück. Es fragt sich also, woher die erforderlichen Obertöne
für die schon höchsten Grundtöne zu nehmen sind ?
Wohl zu merken ist ausserdem, dass die Vocale, welche
sich bei den Helmholtz’sehen Versuchen vernehmen lassen, sehr
unvollständig gegen den umfassenden Umkreis derselben aus-
fallen. Nur in muthmasslichen Annäherungen scheinen sie zu be¬
stehen.
Selbst A und Ae, diese zwei Kernvocale, haben den kunst¬
vollen Experimentator noch nicht zu seiner Zufriedenheit gelin¬
gen wollen. Was die übrigen anbetrifft, so bemerkt er auch
offen, dass sie den gesungenen ähnlicher waren als den ge¬
sprochenen, deren „Unterschiede viel deutlicher als beim
Singen werden.“
Dass eben jene in den Helmholtz’’sehen Versuchen erzeug¬
ten Vocale auch sehr schwach sein müssen, lässt sich schon
daraus schliessen, dass sie nur mit Stimmgabeln durch electrische
Ströme hervorgebracht werden. Es geht mit dieser Schwäche
soweit, dass Herr Helmholtz sich sogar veranlasst fand, um
seine Vocale deutlicher vernehmbar zu machen, eine Bewaffnung
des Ohres durch eine resonirende Glasglocke, wie des Auges
durch ein Vergrösserungsglas, anzubringen. „Am ähnlichsten,
bemerkt Herr Hebnlioltz selber, sind die künstlich zusammen¬
gesetzten Vocale denen, welche auf einem Claviere nachklingen,
wenn man einen der Vocale stark hineinsingt.“
Dies Alles zusammen genommen führt mich auf den Ge¬
danken, dass in der That die ganze Erscheinung keine andere
sei, als eben diese. Im Obigen habe ich bereits dieselbe zu er¬
klären versucht. Sonst fragt es sich immer, wie bei den an¬
geführten Versuchen die Dualität des Sprachorgans vertreten
oder ersetzt werde? Der genialische Physiolog zu Heidelberg
hat eigentlich nur Wahrnehmungen aufgestellt, ohne sich in
förmlich physikalische Erklärungen einzulassen. Sollte die mei-
nige ihm zu Gesicht kommen, und ich es in meinem hohen
Alter noch erleben, so würde es mir zu grosser Genugthuung
gereichen, wenn er durch dieselbe bewogen würde, die Wissen¬
schaft mit einer noch tiefer in der Luftwellenlehre begründeten
Erklärung zu bereichern.