Die Klangfarbe.
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42. Vortrag.
(Die Klangfarbe, Fortsetzung.)
Wir sind in der Untersuchung von Tonquellen hinsichtlich des
Einflusses der Obertöne auf ihre Klangfarbe bis zu den Labialpfeifen
gelangt und setzen nun unsere Betrachtungen fort.
Reich an Obertönen sind die Klänge der Zungenpfeifen der
Orgel und der freien Zungen, wie sie im Harmonium, in der
Physharmonika, Concertina, Hand- und Mundharmonika verwendet
werden. Die fast schneidend zu nennende Schärfe, welche allen
solchen Klängen in grösserem oder geringerem Masse eigen ist, hat
ihren Grund ausser in dem eben erwähnten Reichthume an Ober¬
tönen,- auch in der Intermittenz der Luftstösse, da diese bei jeder
Schwingung der Zunge, durch förmliche Pausen getrennt, mit einer
gewissen Plötzlichkeit hervorbrechen. Bei aufschlagenden Zungen,
wo die Trennung der Luftstösse eine vollständigere ist, als bei durch¬
schwingenden, wird der Klang, besonders der tieferen Töne, förmlich
rasselnd. Da die Obertöne der freien Zunge unverändert an die
umgebende Luftmasse übergehen, so hört man die ganze Reihe der¬
selben oft bis zu zwanzig deutlich und stark und dieses Geschwirre
dissonirender Töne verursacht den schnarrend scharfen Klang, während,
wenn die Zunge mit einem Schallkörper versehen wird, die mit den
Partialtönen desselben zusammenfallenden Obertöne der Zunge ver¬
stärkt werden, wogegen die übrigen fast ganz aus dem Klange ver¬
schwinden.
Dadurch wird der Ton voller, körperlicher bei durchschlagenden,
ausserdem glänzender, schmetternder bei aufschlagenden Zungen.
Dass sich hierbei sehr wesentliche Klangmodificationen ergeben werden,
wenn man Mensuren und Formen der Zungen wie der Schallkörper
abändert, ist, wie der Klang der verschiedenen Zungenpfeifen und
Töne selbst, Ihnen von früher wohl erinnerlich; jeder dieser Klang¬
farben wird noth wendig eine andere Verth eilung der Obertöne nach
Ordnungszahl und Stärke zu Grunde liegen, und eine Prüfung mittels
Resonatoren wird in jedem Falle darüber den vollen Beweis erbringen.*)
’) Einige diesbezügliche Versuche mit durchschlagenden und auf¬
schlagenden Zungenpfeifen, dann mit freien Zungen werden hier vor¬
genommen und mittels Resonatoren analysirt.
Zeliner, Vorträge über Akustik. II.
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