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Obertöne.
3. Dem Gesetze, dass tönende Körper, je weiter eine ihrer
Dimensionen die beiden anderen hinter sich lässt, um so ge¬
eigneter zur Hervorbringung von Partialschwingungen werden, folgen
auch die Luftsäulen.
Enge Röhren, je länger sie sind, geben um so schwerer den
Grundton an, um so williger aber selbst bei mässigem Winde die
Obertöne, gedeckte noch leichter als offene, während
letztere nur durch eine bedeutende Steigerung des
Winddruckes sich vom Grundtone abdrängen lassen. ')
Auch die Fähigkeit, nebst dem Grundtone noch einen
oder den anderen Partialton zugleich hören zu
lassen, haben enge, zumal gedeckte Pfeifen mit
langen Saiten und den durch Flammen er¬
tönenden, engen Röhren gemein.r) Selbst auf Blas¬
instrumenten, vornehmlich auf der Flöte und dem
Horne, sind Doppeltöne möglich. Der französische
Hornvirtuose Vivier* 2) hat sie zu erzeugen gewusst.
4. Ein weiteres Mittel, Pfeifen, auch weit men-
surirten, ohne Steigerung des Winddruckes Obertöne
abzugewinnen, besteht in der Verringerung der
Höhe des Aufschnittes, wodurch bewirkt wird, dass
das Luftband kürzer, daher geeigneter wird, die, der
Resonanz der höheren Töne entsprechenden, schnelleren
Schwingungen zu vollbringen. Der höhere Resonanz¬
ton wird aber geweckt durch den höheren, weil ver¬
möge des Umstandes intensiver gewordenen Reibungston, dass das
Luftband in Folge seines kürzeren Weges zwischen Kernspalte und
Oberlippe an letzterer auch mit grösserer Kraft brandet.3)
5. Es leuchtet ein, dass die verschiedenen Erscheinungen,
welche sich aus Aenderungen der Mensur, des Materials, der Form
und Wandstärke der Pfeifenrohre, der Breite und Höhe, Form und
Stellung des Mundloches, aus der Dicke, Richtung und Intensität
') Wird demonstrirt, und zugleich das Experiment vorgenommen,
den Grundton einer dem Ueberspringen in den nächsten Oberton nahe
gebrachten Pfeife, sobald letzteres eintritt, durch Angaben des Grundtones
mittels eines anderen Tonkörpers oder der Stimme, wieder herzustellen.
2) Vivier producirte die Doppeltöne zuerst 1843.
3) Wird an einer Holzpfeife mit verschiebbarem Oberlabium (Fig. 184)
demonstrirt.