Unterschiede der musikalischen Klangfarben
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zwölften usw, Partialton entsprechenden Schwingungsbewegungen
nicht ausbilden. Je näher dem festen Ende die Erregungsstelle
gewählt wird, desto höhere Partialtöne werden auftreten, desto
schärfer wird der Klang sein. Je dicker eine Saite ist, um so geringer
ist ihre Fähigkeit, in kleinen Unterabteilungen zu schwingen. Zur
Vermeidung hoher Obertöne wählt man deshalb dickere Saiten.
Dünne, lange Metallsaiten bilden leicht hohe Obertöne und haben
— angerissen — einen klimpernden Klang. Bei den dehnbareren
Darmsaiten, deren Elastizität geringer ist, werden die den hohen
Partialtönen entsprechenden Schwingungen schnell gedampft, so
daß gerissene Darmsaiten nicht einen so scharfen, obertonreichen
Klang geben, wie gerissene Metallsaiten.
Neben dem Saitenmaterial und der Erregungsstelle ist
für den Klangcharakter aber noch die Ar t der Erregung entscheidend ;
die drei Haupterregungsarten sind Zupfen, Schlagen und Streichen.
Beim Zupfen oder Reißen wird die Saite durch einen andern
Körper, z. B. den Finger oder einen Metallstift, zur Seite gebogen
und dann freigegeben: sie führt freie Schwingungen aus (Fig. 15).
Von der Form des zupfenden Körpers, dem sich der an der Zupf¬
stelle gelegene Teil der Saite anschmiegt, hängt die Form, welche
die Saite am Anfang ihrer Schwingungsbewegung annimmt, und
somit auch die Klangfarbe ab. Denn die Schwingungsform
nach Aufhören des Erregungsimpulses ergibt sich stets
aus dem Zustand im Augenblick des Loslassens als An¬
fangsbedingung. Wird die Saite durch einen Metallstift gezupft,
so ist die Ausbuchtung eckiger und daher an höheren Obertönen
reicher, als wenn die Saite mit dem Finger gezupft wird; daraus
erklärt sich der weichere Klang der durch Zupfen mit dem Finger
erregten Saiten (Anm. 13). Fig. 16 zeigt einige für gezupfte Saiten
typische Kurven.
Abgesehen von der die Klangfarbe stets in hohem Grade be¬
stimmenden Anschlagstelle und der besonderen Beschaffenheit
der Saite ist der Klang bei den geschlagenen oder gehäm m er ten
Saiten, denen wir z. B. bei den Hammerklavieren begegnen, von der
Weichheit und Breite des Hammers und der Dauer der Berührung
(Kürze der Anschlagszeit) abhängig. Die Kürze der Berührungszeit