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Wolfgang Köhler.
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Umstand bemerkte, es möchte ihm vielleicht eine Gesetzmäfsig-
keit zugrunde liegen, da die Abweichungen auf den argen Fehlern
der bisherigen Versuche beruhen könnten, und entschlofs sich,
der Sache auf den Grund zu gehen.
Von vornherein war einleuchtend, dafs eine genaue Unter¬
suchung nicht mit Stimmgabelklängen, sondern nurmehr mit
reinen Tönen angestellt werden konnte, schien es doch zunächst,
als müfsten die Abweichungen der reinen Vokale vom Oktaven¬
abstand, wenn diese Andeutung einer Gesetzmäfsigkeit überhaupt
in der Natur der Sache begründet und nicht zufällig war, allein
auf die zusammengesetzte Natur der beurteilten Wahrnehmungen
zurückgeführt werden. Und zweitens, da eine derartige Gesetz¬
mäfsigkeit nur durch die Annahme verständlich wurde, die reinen
Vokale seien irgendwie in der Empfindung ausgezeichnete Punkte,
so lag es nahe, die Versuche mit reinen Tönen nicht nach der
bisher verwandten Konstanzmethode, sondern als Einstellungen
nach der Methode der Minimaländerungen vorzunehmen, ganz
analog dem Verfahren, das im Gebiete des Lichtsinnes zur Auf¬
findung der Urfarben schon mehrfach in Anwendung gekommen
ist. Als Analogon für den Spektralapparat war in unserem Falle
der STERNsche Tonvariator von selbst gegeben, um so mehr, als
seine angeblasenen Flaschen von stetig zu variierender Tonhöhe
zwar keineswegs reine Töne, aber doch wenigstens Klänge liefern,
die schon wegen der Schwäche der geradzahligen Teiltöne 1 zu
den einfachsten gehören, die man bis auf weiteres hersteilen
kann. Völlige Reinheit der Töne mufste durch Interferenzen
angestrebt werden. Nun wären die Versuche undurchführbar
geworden, hätten wir für jeden der vielen einander folgenden
Töne, unter denen die Versuchsperson den reinen Vokal suchen
sollte, jedesmal die zugehörige Einstellung der Interferenzröhren
vornehmen wollen. Eben die Eigenschaft der Interferenzröhren
aber, die uns bei den Versuchen des ersten Kapitels so lästig
war, gab hier die bequemste Lösung an die Hand. Die Strecke
der Skala, die durch ein und dieselbe Interferenzeinstellung zum
Verschwinden gebracht wird, ist so grofs, dafs man leicht mit
1 Sie sind immerhin vorhanden, trotzdem es sich um gedackte Pfeifen
handelt; wird der Grundton durch Interferenz vernichtet, so springt der
Klang um eine Oktave in die Höhe, damit ist der zweite Teilton nach¬
gewiesen.