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C. Stumpf.
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ist die aufserordentliche Schwäche des I)1 h — t bei allen Inter¬
vallen jenseits der Oktave, wo der D. T. zwischen die P. T. zu
liegen kommt. Hierüber hat bereits Keuegee ähnliche Be-
merkungen ausgesprochen (U, 244). Töne, die, für sich allein
gehört, annähernd gleiche Empfindungsstärke zu besitzen
scheinen, beeinträchtigen sich in verschiedener Weise, wenn sie
zugleich gehört werden : der tiefe scheint dem hohen mehr an
Stärke abzuziehen als umgekehrt (Tonpsych. II, S. 228, 418 f.).
Neuere eigene Beobachtungen scheinen mir nun zu lehren,
dafs ein schwacher Ton durch zwTei stärkere Töne am wenig¬
sten leidet, wenn sie beide über ihm liegen, mehr, wenn
sie beide unter ihm liegen, am meisten aber, wenn einer
darüber und der andere darunter liegt. Ich möchte dies nicht
mit Keuegee blofs auf ein mehr oder minder schwieriges Be¬
merken beziehen, sondern auf eine wirkliche Beeinflussung
der Empfindungsstärke. Waetzmann zieht das gegenseitige Über¬
decken der Mitschwingungszonen der Schneckenfasern zur Er¬
klärung heran.1 Die P. T. würden danach dem zwischenliegenden
D. T. Schneckenfasern entziehen, die sie in ihre eigenen Schwin¬
gungen hineinzwingen. Aber die Schwächung tritt auch ein,
wenn die äufseren Töne, zwischen denen der geschwächte liegt,
so weit in der Tonreihe auseinanderliegen, dals sicher keine
Überdeckung ihrer Mitschwingungszonen stattfindet. Man kann
nicht annehmen, dafs z. B. bei 4 : 11 die Schwingungszonen der
P. T. in die des D. T. 7 übergreifen. Die Ursachen dieses be¬
sonderen Verhaltens dürften daher meines Erachtens in den
letzten physischen Prozessen in der Hirnrinde liegen. Die
physiologische Theorie wird in diesem Falle noch lang auf sich
warten lassen. Aber genauere und umfassendere Beobachtungen
über die gegenseitige Beeinflussung der Töne in Hinsicht ihrer
Stärke wären schon jetzt sehr wohl möglich,
1 In der oben erwähnten Habilitationsschrift S. 25, ebenso in
späteren Abhandlungen.