22
C. Stumpf.
[75, 335]
sehen sind, ist 20,4 Schwingungen. In anderen Tabellen liegt
der Wert noch erheblich tiefer. Nun sind aber 20,4 Schwin¬
gungen in dieser Tonregion (die vorgelegten Töne lagen zwischen
683 und 855 Schw.) ein Yiertelton. Das nur in ganz wenigen
Fällen yorkommende Maximum von 30 entspricht einem
knappen Halbton, während wieder die Differenzen in anderen
Tabellen noch unter einem Viertelton liegen. Dies sind also
die Fälle in denen eine „Mischung“ beobachtet wurde.
Nun kamen aber doch im Laufe der Jahre bei v. Lieber¬
mann nach den anderwärts mitgeteilten Tabellen, wenn wir
einmal die Angaben als ganz zuverlässig ansehen, bedeutend
gröfsere Differenzen der beiden Ohren vor ; z. B. soll der Kla¬
vierton c3 einmal rechts als g2, links als d2—dis2, der Ton
dis3 rechts als fis2—gis3, links als dis3, der Ton a3 rechts als
a3, links als dis3 gehört worden sein, usf.1 Wie schade, dafs
bei dem vielfachen Wechsel der Pseudotöne, wie er nach den
Angaben Révész’ stattfand, nicht solche Fälle sofort benutzt
wurden, um die Mischungsergebnisse daran zu studieren !
Wenn der Patient in einem solchen Falle, wo es sich um
Differenzen bis zu einer Quinte handelte, einen Mischton
gehört hätte, oder wenn gar zwei Töne wie ges2 und d3 sich
gegenseitig aufgehoben und nur ein Geräusch hinterlassen
hätten, so wie zwei Gegenfarben sich zu Weifs mischen (die
Tonqualitäten bilden ja nach Révész einen Kreis, worin also
die an den Enden eines Durchmessers liegenden Töne recht
und ganzen die Differenzen der Skalenteile in solche der Schwingungs¬
zahlen umgerechnet werden können.
Immerhin bleibt das ganze Messungsverfahren von Vollkommen¬
heit weit entfernt. Daher dürfen auch unsere obigen aus den Tabellen
berechneten Werte keinen Anspruch auf genaue Wiedergabe des Tat¬
bestandes in den Ohren des Patienten machen.
1 v. Liebermann und Révész, Experimentelle Beiträge zur Ortho-
symphonie. Zeitschr. f. Psychol. 63, S. 308. Allerdings wurde das rechte
Ohr am 19., das linke am 20. April untersucht. Warum wurde bei einer
so bedeutenden Differenz nicht am 20. das rechte noch einmal verglichen ?
Warum fehlen überhaupt Angaben über die Differenz beider Ohren am
gleichenTagein dieser ganzen Abhandlung ? — In der ersten V eröffent-
lichung über Orthosymphonie bei v. Liebermann (Zeitschr. f. Psychol. 48,
S. 259 ff.) wurden die Wahrnehmungen beider Ohren überhaupt nicht
getrennt beschrieben. Hat man es etwa dort nach den Verfassern nur mit
Mischtönen zu tun ?