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[YI. Kongr. 341] Über neuere Untersuchungen %ur Tonlehre.
Geräusche übertragbar. Daß auch wirkliche Töne einem Geräusch
beigemischt sein können und den gewöhnlichen Geräuschen fast
immer beigemischt sind, ist bekannt. Daß aber alle Geräusche
Tonbeimischungen enthalten, würde ich heute nicht mehr festhalten.
Dagegen gibt es Geräusche, solche mit einer engbegrenzten
Höhenzone, an denen man, ohne daß sie wirkliche Töne einschlössen,
doch Tonqualitäten mit ihrer periodischen Yeränderlichkeit, mit
deutlichen Oktaven und anderen Intervallen, beobachten kann.
Dahin gehört u. a. jedes durch Hinstreichen eines Luftstroms
über einen Resonanzraum entstehende Geräusch, speziell auch die
Elüstervokale. Das Anblasen der Resonanzkästen einer c1- und
einer c2-Gabel gibt Geräusche, die zweifellos den ©-Charakter haben
und untereinander im Oktaven Verhältnis stehen. Ebenso stehen be¬
stimmte Elüstervokale in diesem Yerhältnis, z. B. ein bestimmtes
0 und Ö. Geräusche können also sowohl das Höhen- wie das
Qualitätsattribut besitzen, ohne darum zu Tönen zu werden. Doch
erreichen sie in beiden Beziehungen nicht denselben Grad der Ab¬
gegrenztheit, sondern erfüllen immer eine gewisse Strecke der
Schwingungszahlenlinie, und damit wird auch ihr spezifischer
Erscheinungscharakter Zusammenhängen.
Eine neue Geräuschtheorie finden wir nun aber bei Jaensch
in seiner Arbeit über die Yokale. Diese sind ihm nicht, wie
Köhler, die eigentlichen Qualitäten der Töne, sondern vielmehr die
der Geräusche. Wie c, d, e Qualitäten der Töne, so sind ihm O, U, I
Qualitäten von Geräuschen. Er denkt dabei nicht etwa nur an
die geflüsterten, sondern in erster Linie an die laut gesprochenen
Yokale. Bereits Hermann, an dessen Yokaltheorie Jaensch an¬
knüpft, sowie andere Forscher hatten eine geräuschartige Hatur der
Yokale behauptet. Doch hat keiner vor Jaensch die Yokale gerade¬
zu als „die Qualitäten des Geräuschsinnes“ in Anspruch ge¬
nommen. Genetisch denkt er sie sich gegenüber den Tönen dadurch
gegeben, daß Sinusschwingungen von etwas verschiedener, aber um
einen Mittelwert schwankender Länge aufeinanderfolgen, während bei
den Tönen eine konstante Länge, bei den eigentlichen Geräuschen
stärkere Yerschiedenheiten der aufeinanderfolgenden Schwingungen
gegeben seien. Dadurch werde aber nur der Yokalcharakter im all¬
gemeinen bestimmt, den speziellen Charakter als U, A usw. erhalten
die Yokale dadurch, daß die mittlere Wellenlänge in der Gegend jener
ausgezeichneten Punkte liegt, die Köhler dafür angab.
Gegen diese Yokaltheorie, ebenso wie gegen die experimentelle