136 Walter Frankfurter und Rudolf Thiele. [Z. f. S. XLVII. 194J
Vpn. verfügten vielmehr über ein weit gröfseres, wenn auch
in jedem Falle verschiedenes, Hörgebiet, und die Defekte der
Nichthörenden umfafsten neben jenem Gebiet eine weit gröfsere
Mannigfaltigkeit von Tönen. Die Sext b1—g2 bezeichnet eben
nur die sämtlichen sprachhörenden Vpn. gemeinsame Hörstrecke
und stellt zugleich natürlich, wenn von zentralen Hörstörungen
abgesehen wird, den allen nicht sprachhörenden Taubstummen
gemeinsamen Defekt dar, der aber bei den BEzoLDschen Vpn.
sich nicht auf diese Strecke beschränkt, sondern wesentlich mehr
Töne umfafst.
Wenn ein Ausfall von Tönen in den oberen Teilen der
Tonskala für das Sprachverständnis gleichgültig sein sollte, so¬
lange noch gutes Gehör für die tieferen Töne vorhanden ist, so
ist es doch nicht ohne weiteres selbstverständlich, dafs ein solcher
Ausfall ohne Bedeutung für das Sprachverständnis bleibt, wenn
das Hörvermögen auch unterhalb der Sprachsext aufgehoben ist.
Dafs aufser den Tönen, die in das Gebiet der Sext fallen, auch
noch andere für das Verständnis der Sprache in Betracht
kommen, könnte eigentlich Bezold im Hinblick auf die Helm¬
hol Tzsche Hörtheorie, die er durch seine Untersuchungen stützen
zu können glaubte, und mit der er sich in Übereinstimmung
fühlt, nicht in Abrede stellen. Seine Behauptung könnte eigent¬
lich nur dahin gehen, dafs die Sext b1—g2 eine ausgezeich¬
nete Stelle in der ganzen für das Sprachverständnis in Betracht
kommenden Tonreihe darstellt, so dafs ihr Ausfall die Funktion
aufhebe. Die Sext würde also eine notwendige Bedingung
für das Zustandekommen des Sprachverständnisses bilden. Dafs
das Hörvermögen für diese Sext aber auch zugleich die aus¬
reichende Bedingung des Sprachverständnisses für ihn dar¬
stellte, geht deutlich aus folgender Stelle des gleichen Buches
hervor:1 „Alle anderen Strecken [als die grofse Sext b1—g2]
können ausfallen und fehlen in Wirklichkeit um so häufiger,
je mehr sie sich von dem hier umgrenzten kleinen Bezirk der
Tonskala entfernen.“
Dieses Ergebnis mufste in Erstaunen setzen, da sich nach
den oben erwähnten Untersuchungen die charakteristischen Eigen¬
töne bzw. Formanten der Sprachlaute über ein weit gröfseres
Gebiet der Tonreihe erstrecken und z. T., was für manche Vo-
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