[Z. f. S. XLVII. 193] ExP- Untersuch, z. Bezoldschen Sjprachsext. 135
welche entbehrlich sind. F. Bezold 1 war der erste, der mit Hilfe
seiner kontinuierlichen Tonreihe solche Untersuchungen an¬
stellte und das Hörvermögen der Taubstummen mit Rücksicht
auf das Perzeptionsvermögen für die verschiedenen Teile der
Tonskala systematisch prüfte. Diese Untersuchungen führten
ihn zu dem Ergebnis: „Unbedingt notwendig für das Verständnis
der Sprache ist nur die Perzeption der von den Tönen b'—g"
inki. umfafsten Strecke in der Tonskala; ferner müssen die inner¬
halb dieses Intervalls gelegenen Töne bereits bei einem mittleren
Grade von Intensität zur Perzeption des Ohres gelangen können ;
wenn die Hördauer für dieselben unter ein gewisses Niveau herab¬
sinkt, so wird sie ungenügend für das Sprachverständnis. Wo
das Gehör für das hier umgrenzte Stück der Tonskala verloren
gegangen ist, findet sich durchgängig auch das Gehör für die
Sprache verloren.“
Zu diesem Ergebnis gelangte Bezold, indem er an Insassen
der Taubstummenanstalten, die offenbare Defekte in verschiede¬
nen Teilen der Tonskala besafsen, dabei aber gutes Verständnis
für die Sprache zeigten, mittels der kontinuierlichen Tonreihe
feststellte, wie weit sich diese Ausfälle von oben oder von unten
her gegen die Mitte des Tonbereiches hin erstreckten. Zeigte
sich nun etwa bei einer seiner sprachhörenden Versuchspersonen
ein Ausfall, der von oben her bis nach c2 reichte, so mufsten
die oberhalb von c2 liegenden Töne für das Sprachverständnis
unwesentlich sein, da ja die vorhandene Hörstrecke dasselbe
völlig gewährleistete. Auf diese Weise schränkte er durch um¬
fangreiche Untersuchungen an dem Material des Zentral-Taub¬
stumm eninstituts in München die nach seiner Meinung für das
Zustandekommen des Sprachverständnisses unbedingt notwendige
Hörstrecke von oben und unten her sukzessive ein und gelangte
so zu der oben bezeichneten Sext als der allen seinen Vpn. ge¬
meinsamen Hörstrecke.
Bezold fand also nicht etwa in einem einzelnen Falle eine
von b1—g2 reichende Toninsel bei sonst aufgehobenem Hörver¬
mögen, die das Sprachverständnis allein ermöglicht hätte, oder
umgekehrt eine sich auf dies Gebiet beschränkende Tonlücke,
die das Sprachverständnis aufgehoben hätte ; seine sprachhörenden
1 F. Bezold. Das Hörvermögen der Taubstummen. Wiesbaden 1893.
Seite 121.