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C. Stumpf.
[LIX. 168]
also ausschliefslich eine Vermehrung des Tonbestandes
hier, wie bei den Oktaven, stattfindet : wie sollte sich der Eindruck
verschlechtern oder überhaupt gegen die Dissonanz hin verändern
und nicht vielmehr auch hier, soweit die Gefühlsseite in Betracht
kommt, nur eine angenehmere Fülle gewinnen ?
Dafs der Gefühlseindruck eines dissonanten Intervalles durch
die dissonanten, der eines konsonanten durch die konsonanten
Kombinationstöne (und eventuell Obertöne) mitbedingt ist, er¬
kenne ich ohne weiteres an. Bei 8:11 möchte ich z. B. selbst
dem üblen Summationston 19, welchen Krueger gerade nicht
heranzieht, einen gewissen Einflufs zuschreiben, aber auch den
Verhältnissen, die zwischen den Differenztönen und dem höheren
Primärton bestehen (3 : 11, 5: 11); einen Einflufs freilich nicht
auf die Konsonanz der Primärtöne, aber auf die Gefühlsemp¬
findungen und Gefühle, die mit dem ganzen Klangkomplex ver¬
bunden sein können. Ich leugne jedoch mit aller Entschieden¬
heit, dafs die Anzahl der Töne als solche einen verschlech¬
ternden Einflufs hat. Es kommt nicht blofs darauf an, wie¬
viele, sondern vor allen Dingen, welche Töne aufser den
Primär tönen vorhanden sind. Plier liegt eben der Unterschied
der beiden Theorien. Nach meiner Auffassung sind die durch
die Differenztöne 3 und 5 hinzukommenden Verhältnisse 3:11
und 5 : 11 ebenso an sich dissonant wie es schon das Ver¬
hältnis der Primärtöne 8:11 ist. Nach Krueger dagegen sind
alle Verhältnisse, wenn sie nicht Schwebungen und Zwischentöne
bilden, neutral, und so ist nicht der geringste Grund, warum durch
das Hinzutreten der Töne 3, 5, 2, 1 eine Annäherung an den
Dissonanzeindruck entstehen soll.
Nur in einem Falle mag die wachsende Anzahl der Klang¬
komponenten in sich selbst dem Hörer verdriefslich werden :
wenn ihm nämlich gerade die Aufgabe gestellt wäre, sie zu zählen,
oder wenn er spontan das Bedürfnis fühlte, sie alle im einzelnen
klar zu überschauen, und es ihm nicht gelingen will. Darum
pflegen exotische Individuen unserer Musik gegenüber so oft zu
mit seiner feinen und reichen Akkordbewegung geschehen ? Nur das wird
man bestätigt finden, daß in Hinsicht kühner Modulationen viel mehr
gewagt werden kann, wenn sie zugleich mit dynamischem Wechsel ver¬
bunden werden. Aber das hat rein ästhetische Gründe und gilt auch
nicht nur beim plötzlichen ppo sondern ebenso beim plötzlichen ffo.