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C. Stumpf.
[LIX. 1741
So entsteht eine Zwickmühle: einerseits müssen in Konsequenz
der KRUEGERSchen Theorie Konsonanz und Dissonanz gerade
in diesen hohen Regionen besonders ausgeprägt sein, anderer¬
seits vermehrt sich hier immer mehr die Zahl der ,,kritischen
Intervalle“, die wiederum in Konsequenz der Theorie vollkommene
Konsonanzen sein müfsten, es aber nicht sind.
Ich denke dieser Theorie keine Zeit mehr zu widmen. Nicht
wenige richtige oder beachtenswerte und anregende Einzelheiten
in Kruegers Ausführungen erkenne ich nach wie vor an. Das
Prinzip jedoch mufs ich für vollständig verfehlt erachten, da eben
bei Intervallen einfacher Töne, die gröfser sind als die kleine Terz,
keine fünf Differenztöne existieren, und da man, auch wenn sie
vorausgesetzt werden, zu Folgerungen kommt, die den Tatsachen
allerorts widersprechen.
Oder sollte es in der Psychologie noch andere allgemeine
Vorschriften der Forschung geben als: gut zu beobachten und
richtig zu schließen ? Fast möchte man’s denken, wenn man
das Verzeichnis der üblen Gewohnheiten überblickt, an denen
mein wissenschaftliches Denken nach Krueger laboriert, als da
sind : Objektivismus, Atomismus, abstrakter und atomistischer
Dogmatismus, dogmatischer Absolutismus, dinghafte Hyposta¬
sierung, isolierende Verdinglichung, Identitätsvorurteil, Mono¬
ideismus. Das mögen nun wohl alles nur wechselnde Ausdrücke
für einunddieselbe falsche Betrachtungsweise sein. Aber auch
Intellektualismus, roher Empirismus und weitgehender Nativis¬
mus kommen hinzu, womit doch wohl wieder andere Fehler,
sogar unter sich entgegengesetzte Fehler gemeint sein müssen.
Es fehlen nur noch Animismus und Fetischismus. In den drei
letzten Abhandlungen Kruegers wimmelt es von solchen An¬
klagen, und wenn ich auch andererseits das damit kaum ver¬
einbare Lob der ,.gewohnten Selbstkritik“, das beste, das ich
mir nur wünschen mag, erhalte, und überdies einen guten socius
malorum in Helmholtz habe, der gleichfalls des dogmatischen
Objektivismus schuldig befunden wird, so mufs ich mir doch
wie jenes kranke Pferd erscheinen, an dem der Tierarzt alle vor¬
kommenden Gebrechen zu demonstrieren in der Lage ist. Das
alles, seitdem ich Kruegers Konsonanztheorie auf Grund doch
nicht ganz verächtlicher, sachlicher Erwägungen zu bekämpfen
mich gezwungen sah. Wie leicht könnte ich nun mit ,,Assozia-