[XXI. 103] Beobachtungen über subjective Töne und über Doppelthören. 33
Nicht ohne Bedeutung für die Aetiologie scheinen mir Be¬
obachtungen, die ich beim Gähnen gemacht habe. Hierbei setzt
der Ton sehr häufig stark ein und bleibt in dieser Stärke, so¬
lange die Action dauert. Aber es tritt dabei auch im linken
Ohr mit grofser Regelmäfsigkeit, sobald nur eine Disposition für
subjective Töne vorhanden ist, ein um eine Ganztonstufe tieferer
Ton, es, auf. Oft höre ich nur den einen, oft nur den anderen,
öfters auch beide zugleich. Spontan tritt dieser Ton des linken
Ohres nicht auf.
Man könnte hier nun wohl annehmen, dafs durch das
Gähnen eine Mitbewegung des Tensor bewirkt würde. Man
könnte aber auch die plötzliche Druckverminderung im Mittelohr
für den Ton verantwortlich machen.
Jedenfalls dürfte die Entstehung des fiss nicht erst im Laby¬
rinth oder im Gehirn, sondern im Mittelohr stattfinden.
Als Veranlassung dieses Leidens mufs wohl in erster Linie
eine durch Ueberarbeitung entstandene starke Nervosität gelten,
die sich auch in anderen Sinnesgebieten äufserte. Ich konnte
die augenblickliche Stärke des Tons als Gradmesser des Nerven-
zustandes betrachten. Während der Culminationszeit (Anfangs
der 80 er Jahre) war ich gegen äufsere Geräusche äufserst
empfindlich und solchen zugleich am meisten ausgesetzt.* 1 Es
wird aber wohl auch die specielle Anstrengung des Gehörs durch
akustische Versuche beigetragen haben, besonders Beobachtungen
über Differenz- und Summationstöne am Harmonium, die ich
dem Eigenton des Gehörgangs annähernd übereinstimme. Doch hält er
gegenwärtig seihst diese Meinung nicht mehr unbedingt aufrecht. Es ist
auch klonischer Krampf des Tensor ohne Ohrenklingen beobachtet. Zeit¬
schrift f. Ohrenheilkunde 13, 261.
1 Ich wohnte in Prag-Smichow an einem Platz, der den gröfsten Theil
der wärmeren Jahreszeit von Schaubuden besetzt war, die durch Leier¬
kästen in den allerschärfsten Klangfarben, oft fünf bis sechs zu gleicher
Zeit, das Publikum anlockten. Auch der Strafsenlärm der böhmischen
Hauptstadt war arg genug. Am schlimmsten wirkten auf mich Locomotiv-
pfiffe. Ich hörte dabei damals auch immer ein dumpfes Geräusch nachher
und fühlte Schmerzen im Ohr, ja im ganzen Kopf. Leider hat der alte
Kampf der Ohrenärzte gegen diese Locomotivenpraxis noch immer nicht
viel geholfen.
Als ich einmal in der Nähe eines Bahnhofs übernachtete, beobachtete
ich auch, dafs der subjective Ton durch den Pfiff der Rangirlocomotive an¬
geregt oder verstärkt wurde. Das Nämliche bemerkte ich auch gelegentlich
Stumpf. Beiträge III. 3