[XVIII. 400] Maafsbestimmungen über die Reinheit consonanter Intervalle. 163
aufeinanderfolgenden Tönen ebenso gut entwickeln kann. Ja es
ist nun die Gleichzeitigkeit ein Hindernifs des Urtheils, weil
dadurch der einzelne Ton weniger leicht in seiner Eigentüm¬
lichkeit erkannt wird. Und je stärker die Verschmelzung, um
so gröfser das Hindernifs, weil stärker verschmelzende Töne eben
weniger vollkommen auseinandertreten. Daher die Schwierigkeit
des Urtheils gerade bei der Octave. Bei der Terz mag die
relativ geringe Distanz der Töne einen ähnlichen Effect haben.
Dagegen stehen Quinten in beiden Beziehungen in der Mitte,
und sind überdies als hauptsächliches Stimmintervall im Vorteil.
Es entsteht nur die Frage, warum man gerade Quinten, und
zwar gleichzeitige, zum Stimmen (beim Clavier und bei den
Streichinstrumenten aufser dem Contrabafs) benützt. Delezenne
war der Meinung, dafs die besonders feine Empfindlichkeit für
dieses Intervall den Anlafs bilde. Es wird aber vielmehr umge¬
kehrt sein. Und die Ursache, warum man Quinten zum Stimmen
der Streichinstrumente benützt, liegt wohl einfach darin, dafs bei
unseren gegenwärtigen Streichinstrumenten aufser dem Contra¬
bafs die Saiten aus praktischen Gründen der Handhabung nun
einmal dieses Intervall darbieten ; man hat gefunden, dafs sich so
am besten darauf spielen läfst. Gleichzeitig aber streicht man
sie an, weil man dabei schneller zum Ziele kommt und weil so
minimale Differenzen, wie sie beim successiven Streichen noch
etwa zu ermitteln wären, praktisch ganz gleichgültig sind.
Cellisten pflegen indessen schon häufig das Nacheinander der
Töne zu benutzen, um sich der Reinheit zu vergewissern (oder
sie nehmen das Flageolet zu Hülfe).
Beim Clavier empfiehlt sich die Benützung von Quinten
(aufser Octaven) zum Abstimmen wegen der gleichschwebenden
Temperatur, weil die erforderlichen Schwebungen bei Quinten be¬
sonders gut zu beobachten sind. Durch die gleichschwebenden
Quinten wird nun freilich das Gehör für reine Quinten nicht
geschärft, aber auch nicht verdorben; es wird überhaupt nicht
dadurch beeinflufst, sonst müfste eine Verkleinerung vorgezogen
werden. Die Uebung im Stimmen kommt hier aber überhaupt
als Erklärungsprincip nicht in Betracht, da Clavierspieler ihr
Instrument nicht selbst zu stimmen pflegen.
6. Dafs obertonreiche Klänge weniger sichere
Reinheitsurtheile liefern, kann nur für diejenigen
wunderbar sein, die mit Helmholtz in zusammenfallenden Ober-
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